Fährmann & Sofia Talvik im Klostergarten der Huysburg
12.08.2018
Sonntagnachmittag,
Kaffeezeit
und
Sonnenschein.
Vielleicht
hätte
ich
mit
dem
Fahrrad
hinüber
zum
Huy,
hoch
zum
Klostergarten
des
Benediktinerklosters
fahren
sollen.
Das
hätte
mich
zwei
Kilogramm
und
eine
Stunde
Zeit
gekostet.
Allerdings
hangeln
sich
die
letzten
drei
von
elf
Kilometern
nur
bergauf
und
mein
Drahtesel
bekam
nie
einen
elektrischen
Betrüger
implantiert.
Ich
hätte
also
die
ganze
steile
Schinderei
mit
purer
Muskelkraft
bewältigen
müssen.
Mit
dem
Auto
meistert
man
die
Strecke
doch
ein
wenig
entspannter
und
die
paar
(Kilo)Gramm
abnehmen
verschiebe
ich
lieber
auf
(über)morgen
oder
so.
Heute
möchte
ich
einfach
nur
die
Stunden
zwischen
Kaffee
und
Sonnenuntergang
bei
guter
Musik
und
unter
freiem
Himmel
genießen.
Ich
möchte
zwei
Musiker
(wieder)treffen,
deren
Lieder
anders
als
die
der
(Silber)Fischer
und
(Laut)Rufer
sind.
Sowohl
der
FÄHRMANN,
als
auch
SOFIA
TALVIK,
reisen
mit
Liedern
an,
die
sensibel
die
Herzen
erreichen
und
Seelen
erfrischen
können.
Keine
aufgeblähte,
in
Farben
getauchte,
Show,
sondern
der
pure
traditionelle
Klang
und
intime
Poesie
im
Sommerlicht.
Die
Agentur
ARTGenossen
aus
Bremen,
mit
Wurzeln
in
Nordhausen,
hatte
die
schöne
Idee,
beide
Künstler
im
Klostergarten
ein
Doppelkonzert
spielen
zu
lassen
und
ich
werde
dabei sein.
Alle Fotos auf dieser Zeit kann man durch Anklicken vergrößern.
Der
Klostergarten
strahlt
im
gleißenden
Sonnenlicht.
Trotz
der
anhaltenden
Trockenheit
erlebe
ich
die
Anlage
gepflegt
und
sehe
eine
bunte
Blumenpracht.
Dies
ist
ein
ruhiger
Ort,
der
viel
Leben,
Besinnung
und
kulturellen
Genuss
zulässt.
Hier
habe
ich
schon
den
sakralen
Gesängen
der
Brüder
zugehört,
auch
die
frühen
Songs
von
Bob
Dylan
waren
hier
zu
erleben
sowie
Jazz-Gesang
im
Kirchenraum.
Jedes
Mal
hatte
ich
ein
besonderes
Erlebnis,
ergaben
sich
interessante
Begegnungen.
Deswegen
komme
ich
sehr
gern
hierher
und
lasse
mich
entweder
überraschen
oder
einfach
vom
Ort
des
Geschehens,
einer
Wiese
am
Waldrand,
umgarnen.
Im
weiten
Rund
vor
der
Bühne
stehen
einige
Bäume,
die
Schatten
spenden.
Dahin
ziehe
ich
mich
zurück
und
warte
auf
einen,
der
eigene
Lieder
zur
Gitarre
singt:
FÄHRMANN.
Als
der
mich hier überaus persönlich begrüßt, bin ich geneigt, Alex von Stund an einen Freund zu nennen.
Scheinbar
einsam
sitzt
er
zwischen
den
Steinstufen
in
der
prallen
Sonne.
Vor
sich
gefaltete
Hocker
aus
Karton,
die
nach
und
nach
in
schattige
Bereiche
entführt
werden,
und
unter
sich
den
heißen
Stein,
der
die
Glut
aufsaugt
und
wieder
abstrahlt.
Egal,
denke
ich,
da
muss
er
jetzt
durch
und
schon
dringen
die
ersten
Akkorde
der
„Vorstadtträume“
über
das
Areal.
Die
Gitarre
und
der
innige,
eindringliche
Gesang
wirken
auf
mich
wie
von
einem
Geschichtenerzähler
längst
vergangener
Tage.
Denen
ging
es
darum,
etwas
von
den
eigenen
Erfahrungen
und
Gedanken
weiterzugeben
und
das
macht
dieser
FÄHRMANN,
gut
verpackt
in
satt
schwirrende
Gitarrenklänge
und
fein
gesponnene
Poesie,
nicht
viel
anders.
Etwas
zeitgemäßer
vielleicht:
„Es
grünt
in
der
Vorstadt,
die
Zeit
für
dich
steht
still
…
du
machst
die
Augen
zu
und
ein
Feuer
brennt
sich
seinen
Weg“.
Je
nachdem,
wer
diesen
Gesang
jetzt
gerade
hört,
entstehen
andere
Bilder.
Jede
Zeile
ein
neues
Bild,
wenn
er
auf
der
Bühne
von
„Feuer
und
Schnee“
erzählt
oder
den
„Alten
Kirchturm“
irgendwo,
mit
einem
goldenen
Hahn
darauf,
besingt.
Selbst
beim
Lied
über
den
„Fährmann“
nimmt
mich
ALEXANDER
BÄRIKE,
wie
er
bürgerlich
heißt,
mit
auf
seine
Reise
„So
weit
die
Füße
tragen“.
Doch
eigentlich
sitzt
er
noch
immer
und
trotzt
singend
diesem
Glutofen,
der
vom
blauen
Himmel
strahlt,
auf
denen
Flieger
„nach
Süden“
weiße
Kondensstreifen
malen. Respekt, mein Freund!
Abseits
der
Bühne
und
im
Schatten
lauschen
Sofia
Talvik
und
deren
Musiker
seinen
Liedern.
Einer
von
ihnen,
Tim
Flemming
aus
den
USA,
setzt
sich
zu
ihm,
während
er
uns
sein
„Ich
steh
noch
immer
hier“
singt.
Tim
begibt
sich
an
die
Pedal-Steel-Guitar
und
improvisiert
dazu
wehmütig
seufzende
Tonfolgen,
die
dem
Song
eine
viel
intensivere
Stimmung
verleihen.
Live
und
ungeprobt
harmonieren
die
beiden,
nachdem
ein
paar
technische
Probleme
behoben
sind,
atemberaubend (statt „Atemlos“) miteinander, als gäbe es nichts Einfacheres. Musikanten eben.
Zwei
seiner
Lieder
gehen
mir
besonders
tief
unter
die
Haut,
weil
sie,
trotz
schwieriger
Thematik,
eine
Leichtigkeit
und
Hoffnung
vermitteln.
Das
autobiografische
Lied
„Meine
Dunkelheit“
gestattet
den
Blick
in
einen
Lebensweg,
der
dem
meinen
irgendwie
ähnlich
zu
sein
scheint:
„Ich
hatte
mal
’nen
Kumpel,
der
schrieb
alles
auf.
Jetzt
hab’
ich
in
Archiven
’nen
halben
Lebenslauf“.
Mit
ganz
wenigen
Worten
und
einer
eingängigen
Melodie
umschreibt
er
liebevoll
Szenen
aus
seinem
Leben,
die
anderen
Ortes
ganze
Klatschspalten
füllen
würden.
Ehrlicher
sind
diese
Lieder
allemal,
weil
sie
selbst
erlebt
und
auch
gelebt
wurden.
Und
dann
kommt
er
noch
mit
seinen
„Neunzig
Liter
und
mehr“
um
die
Ecke,
dem
Titelsong
seiner
aktuellen
Scheibe.
Da
muss
man
schon
Ostdeutscher
sein,
um
zwischen
den
Zeilen
entdecken
zu
können
und
die
Seitenhiebe
zu
verstehen.
Der
FÄHRMANN
spricht
aus,
was
mancher
vielleicht
nur
schwer
formulieren
kann
oder
will.
Er
nimmt
die
Zuhörer,
ohne
zu
belehren,
an
deren
Hände
und
baut
auf
diese
Weise
Brücken
von
Ufer
zu
Ufer,
von
Mensch
zu
Mensch.
So
wie
es
einst
Woody
Guthrie
und
seine
Erben
versuchten.
Einer
von
ihnen
ist,
ohne
jeden
Zweifel,
dieser
FÄHRMANN
namens
Alex.
Der
holt
sich
nach
verdientem
Applaus
ein
kühles
Getränk,
verkauft
oder
signiert den neuen Silberling und wartet dann mit uns (im Schatten) auf das nächste Konzert.
Inzwischen
steht
die
Sonne
tiefer,
die
Schatten
der
Bäume
wuchsen
der
Bühne
entgegen,
so
dass
wir
mit
unseren
Sitzgelegenheiten
näher
ans
Geschehen
rücken
können.
Als
ich
SOFIA
TALVIK
zum
ersten
Mal
sah,
war
es
Winter
auf
der
Huysburg
und
bitter
kalt.
Jetzt
steht
auch
sie
mit
einer
Band
(REGINA
MUDRICH,
Violine,
MARTIN
ZEMKE,
bass,
sowie
TIM
FLEMMING,
USA,
Pedal-Steel-Guitar)
auf
dieser
Sommerbühne
und
ich
freue
mich
auf
ihre
Lieder.
Die
zierliche
blonde
Schwedin
schaut
der
Sonne
und
den
Zuhörern
jetzt
direkt
in
die
Gesichter,
als
sie
ihren
Konzerteil
eröffnet.
Ihre
Stimme
füllt
das
ganze
Areal
aus
und
als
sie
kurz
darauf
„A
Matter
Of
The
Hearts“
singt,
scheint
es
mir,
als
knüpfe
sie
nahtlos
an
das
Konzert
von
damals
im
Winter
an.
Diesen
Song
von
„den
Angelegenheiten
der
Herzen“
schrieb
sie
in
den
USA,
dem
vielleicht
größten
Einwandererland
dieses
Planeten.
Was
für
ein
Paradoxon,
wenn
man
heute
dorthin
schaut!
Sie
singt
von
ihrer
Reise
durchs
„Land
mit
dem
großen
Himmel“,
das
jedem
eine
Heimat
geben
könne,
dabei
kann
„Give
Me
A
Home“
durchaus
synonym
für
Europa
stehen,
denke
ich
mir.
Die
Zeiten
sind
andere
und
dennoch schaffen wir uns die gleichen Probleme oder lassen sie uns viel zu einfach überstülpen. Warum nur?
Sie
fragt,
ob
wir
ein
typisch
schwedisches
Volkslied
hören
möchten.
Wir
wollen
und
sie
singt
uns
„Min
Rose,
min
Lilja“
(Meine
Rose,
meine
Lilie).
Sie
trägt
es
a
capella
vor
und
mit
einer
Intensität,
dass
mir
beinahe
schwindlig
wird.
In
diesem
Augenblick
spüre
ich,
was
für
eine
geballte
Energie
diese
Stimme
ausstrahlt,
wie
sie
noch
so
kleine
Nuancen
ausgestalten
und
versteckt
geglaubte
Emotionen
freisetzen
kann.
Sie
singt
es
unglaublich
einfach
und
mit
einer
umwerfenden Intensität. Folklore kann so ehrlich und berührend sein!
Da
vorn
sitzt
ein
Amerikaner
mit
Sonnenhut
an
seiner
Pedal-Steel-Guitar.
TIM
FLEMMING
zaubert
aus
den
Saiten
dezente,
aber
äußerst
wirkungsvolle
Klangmomente.
Songs
wie
„Seven
Miles
Wide“
haucht
er
mit
seinem
Spiel
einen
besonderen
Touch
von
Sehnsucht
ein
und
bei
„California
Snow“
scheint
das
Instrument,
im
Zusammenspiel
mit
REGINA
MUDRICHs
Violine,
weit
bis
zum
Horizont
zu
tragen.
Trotz
des
grenzenlosen
Himmels
über
uns
lassen
die
Musiker
den
Eindruck
von
Intimität
mitten
in
der
Natur
entstehen.
Der
Gesang
von
SOFIA
hat
etwas
zerbrechlich
Starkes
und
erinnert
mich
sehr
entfernt
an
die
große
Joni
Mitchell.
Über
allem
schwingt
ein
leiser
Hauch
von
skandinavischem
Folk
mit
lockerem
Americana
vermischt.
Als
die
Schwedin
ihren
neuen
Song
„Die
Alone“
(Stirb
allein)
im
Nashville-Touch
vorstellt, bin ich wieder einmal restlos begeistert und froh, hierher gekommen zu sein.
Wir
sind
in
den
Abendstunden
angekommen
und
die
Sonne
versinkt
langsam
hinter
den
Dächern
der
Klostergebäude.
Passend
zur
Stimmung
singt
SOFIA
TALVIK
vom
„Bloodmoon“
in
Montana’s
Bergen
und
vom
„Bonfire“
unterm
nächtlichen
Sternenzelt.
Mit
ihren
zart
gesponnen
Liedern
ist
sie
mir
sehr
nahe
gekommen
und
als
sie
ihre
Version
eines
Einwanderungsliedes,
einem
alten
schwedischen
Folk-Song
„Emigrantvisa“
singt,
scheinen
viele
der
über
einhundert
Konzertbesucher
für
einen
Moment
den
Atem
anzuhalten,
denn
wieder
trägt
sie
eine
Melodie
a
capella
vor.
Sie
verlässt
den
Platz
hinter
dem
Mikrofon
und
begibt
sich
singend,
ohne
Netz
und
doppelten
Boden,
zu
ihren
Zuhörern,
nimmt
einige
von
ihnen
bei
der
Hand
und
verabschiedet
sich
so
auf
eine
ganz
eigene
und
sehr
intime
Weise.
Ich
sitze
mittendrin
und
spüre
eine
Gänsehaut
in
mir
aufsteigen.
Es
ist
die
fragile
Steigerung
eines
selten
gewordenen
Konzertmomentes.
Fast
wie
der
Gesang
einer
Grille
im
Gras
der
Wiese,
betörend
schön
und
zum
Zuhören
anregend.
Was
für
ein
intimer
berührender
Augenblick
und
stille
Aufforderung
zu
Menschlichkeit
in
turbulenten
Zeiten,
ohne
den
Moment verbal zu benennen. Wer kann und macht so etwas heute noch, frage ich mich.
Nachdem
das
Staunen
im
Rund
gewichen
ist
und
Begeisterung
ausbricht,
gibt
es
stehende
Ovationen
für
einen
besonderen
Konzertabend.
Doch
mein
absoluter
Höhepunkt
kommt
erst
nach
dem
Applaus
als
Zugabe.
Wie
sie
dem
indianischen
„Skywalker“
von
Buffy
Sainte-Marie
sein
wildes
Leben
einhaucht
ist
einfach
grandios.
So
wie
damals
im
Saal!
Mir
ist,
als
würde
diese
zierliche
Schwedenschönheit
erst
jetzt
richtig
in
Fahrt
kommen,
als
hätte
die
„Blonde
Hexe“
SOFIA
TALVIK
ihr
deutsches
Publikum
erst
zum
Ende
hin
auftauen
können.
Was
für
eine
großartige
Performance
in
der
Abendsonne
und
in
einem
Klostergarten
dazu!
Allen
Beteiligten,
auch
denen
„hinter“
der
Bühne
und
der
Ordensgemeinschaft
der
Brüder,
ein
riesengroßes
Dankeschön
für
den
Mut,
dieses
Event
auf
die
Beine
zu
stellen.
Mehr
davon bitte.
Ich
lasse
das
Geschehen
noch
eine
Weile
nachklingen,
ehe
ich
mich
von
Sofia,
Regina,
Martin
und
von
Alex
verabschiede.
Eigentlich
müsste
man
sich
jetzt
in
kleiner
Runde
hier
irgendwo
zusammensetzen,
noch
ein
wenig
plaudern
und
den
Gedanken
freien
Lauf
lassen.
Einfach
so
und
weil
es
immer
weniger
diese
Momente
des
zwanglosen
Beisammenseins,
in
diesen
hektisch
turbulenten
Zeiten,
gibt.
Als
der
Wald
hinter
mir
liegt,
ist
mein
Blick
über
die
Türme
von
Halberstadt
bis
zum
Harz
dahinter
wieder
frei
und
für
eine
Sekunde
wünsche
ich,
ich
könnte
jetzt
mit
dem
Fahrrad
hinunter
in
die
Ebene
ausrollen.
Wie
ein
kleiner
Junge,
übermütig,
sorgenfrei
und
haufenweise
Flausen
im
Kopf.
Solange
dieses Gefühl sich im Kopf Raum verschaffen kann, spielt so etwas wie Alter nicht einmal eine Nebenrolle.