Dikanda – ein polnischer Wirbelwind bei „Freie Klänge“
13.03.2016
Heute
war
ein
Wahlsonntag.
Das
Volk
der
Frühaufsteher
im
Anhaltinischen
hat
gewählt,
genauer
gesagt,
etwas
mehr
als
jeder
Zweite.
Die
andere
knappe
Hälfte
des
Volkes
wollte
der
Demokratie
keinen
Glauben
schenken.
Das
hat
etwas
mit
Erfahrungen
und
Frustrationen
zu
tun,
doch
das
will
unsere
Machtelite
nicht
wissen.
Noch
nicht!
Ich
bin
einer
von
den
Ankreuzern
und
fahre
ruhigen
Gewissens
nach
Magdeburg,
wo
sich
die
Parteien
feiern,
sagt
der
im
Radio.
Man
feiert
in
der
Festung
Mark.
Dort
laufe
ich
an
den
Fenstern
vorüber,
hinter
denen
sie
sich
schon
zuprosten.
Im
Gewölbe
der
Festung
wird
heute
eine
Band
aus
Polen
ein
Konzert
geben.
Unser
Nachbarvolk
hat
gerade
auch
einiges
durchzustehen.
Vielleicht
kann
ich heute Abend ein wenig Solidarnosc zeigen. Ich möchte eine Band aus Polen hören, auf die ich gespannt bin.
Der
Saxophonist
Warnfried
Altmann
organisiert
diese
Konzertreihe
und
hatte
mich
darauf
hingewiesen.
Er
weiß,
dass
ich
nicht
stur
an
Rockmusik
gefesselt
und
noch
immer
neugierig
bin.
Er
wiederum
ist
nicht
nur
ein
exzellenter
Musiker,
sondern
auch
Förderer
und
Grenzgänger
mit
einer
klaren
Botschaft:
Die
Musik
ist
eine
universelle
Sprache
des
Herzens
und
der
Seele.
Sie
verbindet
Menschen,
gleich
welcher
Hautfarbe
und
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Menschen,
die
bei
uns
Zuflucht,
Schutz
und
Hilfe
suchen,
ganz
besonders.
Auch
das
ist
die
Botschaft
seiner
Konzertreihe
„Freie
Klänge“.
Auf
der
Bühne
heute
Abend:
DIKANDA aus Polen.
Das
Gewölbe
ist
riesig
und
durch
hohe
Bögen
geteilt.
Die
Wände
und
Decken
aus
roten
Ziegeln
strahlen
gemütliche
Wärme
aus.
Wer
möchte,
findet
einen
Sitzplatz,
in
den
Seitenräumen
warten
einige
Stehtische
auf
Gäste.
Dass
man
hier
auch
tanzen
kann,
macht
den
Reiz
dieses
ungewöhnlichen
Ortes
aus.
Doch
erst
einmal
liegen
Spannung und Neugier in der Luft, bis die sechs Musiker von DIKANDA die Bühne betreten.
Ein
dumpfes
Brummen
ist
zu
hören,
das
vom
Akkordeon
kommt.
In
diesen
Klang
hinein
mischt
sich
eine
Trompete,
ebenfalls
tief
und
beinahe
unwirklich.
Dezent
beginnen
nun
Bass
und
ein
Cajon
das
Grummeln
anzutreiben
und
plötzlich
groovt
und
schwingt
es
im
Raum.
Eine
brodelnder
Mixtur
aus
vielen
ethnischen
Zutaten,
die
sofort
in
den
Bauch
und
die
Beine
gehen.
Innerhalb
nur
weniger
Augenblicke
schlägt
bei
mir
das
Gefühlsbarometer
weit
nach
oben
aus.
Ich
bin
hingerissen,
eingefangen
von
Latin-Rhythmik
und
dem
Puls
afrikanischer
Trommeln,
der
Leidenschaft
jüdischer
Melodik,
vorgetragen
von
zwei
elektrisierenden
weiblichen
Stimmen,
die
den
Balkan
einfach
mal
so
melodisch
in
den
Orient
verlegen. Wie abgefahren ist das denn!?
Diese
Musik
ist
ein
feines
Gespinst
ganz
unterschiedlicher
Facetten,
die
einem
Kessel
brodelnder
Zutaten
zu
entrinnen
scheinen.
Gerade
habe
ich
mich
daran
gewöhnt,
dem
Chorgesang
vom
Balkan
zu
lauschen,
da
fühle
ich
mich
plötzlich
nach
Kasachstan
versetzt,
mitten
in
die
wilden
Tanzbewegungen
der
beiden
Vollblutweiber
auf
der
Bühne
hinein.
Das
ist
die
pure
Lebenslust
einer
uralten
Kultur,
die
sich
in
moderne
Pop-Klänge
drängt
und
sie
wieder
interessant
und
vielfältig
macht.
Inzwischen
sagt
man
Weltmusik
dazu,
weil
irgendein
Stempel
her
muss,
doch
eigentlich
ist
das
Brachialfolk
in
aller
Vielfalt
und Schönheit, wie man ihn auch bei Ikonen wie Mari Boine erleben kann, nur eben anders.
Es
geht
aber
auch
total
romantisch
und
verträumt.
In
einem
der
Lieder
geht
es
um
ein
„Mädchen
auf
der
Bank“,
das
an
einem
warmen
Sommertag
von
der
großen
Liebe
träumt.
Da
nehmen
sich
die
Instrumente
weit
zurück
und
die
Damenstimmen
von
ANIA
WITCZAK,
die
am
Akkordeon,
und
KATARZYNA
BOGUSZ
verzaubern
mit
hinreißenden
Modulationen,
als
würde
eine
einzige
Stimme
mehrstimmig
zu
hören
sein.
Es
ist
die
blanke
Perfektion,
aber
unheimlich
stimmig
und
einfühlsam.
In
einem
anderen
Lied
singen
sie
vom
Zauber
der
„Schönsten
Augen“
und
dem
Feuer,
das
im
Herzen
brennt
und
in
einem
weiteren
vom
„Mädchen
mit
dem
schönen
Gesicht“.
Obwohl
es
„typisch
polnisch“
klingt,
ich
dabei
Grechuta
&
Anawa
im
Hinterkopf
habe,
versetzt
mich
das
Stück
emotional
in
den
Orient,
zumal
PIOTR
REJDAK
mit
der
Gitarre
ein
Solo
zaubert,
bei
dem
er
den
Klang
einer
Sitar
imitiert.
Letztlich
entfacht
der
polnische
Wirbelwind
ein
Rhythmusfeuerwerk, das die alten Mauern erschaudern lässt. Es passt einfach alles!
Mir
kommt
es
vor,
als
würde
diese
Musik
alles
in
sich
aufsaugen,
was
südöstlich
von
uns
beheimatet
ist.
Eine
Musik
voller
Leidenschaft,
sinnlicher
Emotionen
und
lebendiger
Leidenschaften.
All
das,
was
ich
ein
wenig
vermisse,
wenn
mir
die
deutsche
Volkstümelei
über
den
Weg
läuft,
das
finde
ich
bei
DIKANDA.
Von
der
Begeisterung
der
sechs
Profis
kann
man
sich
anstecken
und
mitreißen
lassen,
ohne
ein
einziges
Wort
verstehen
zu
müssen.
Weltmusik
eben,
eine
universelle
Sprache,
die
Herzen
verbinden
kann
und
will.
Da
muss
man
schon
ziemlich
verklemmt
und
verhärtet
sein,
um
sich
der
Sprache
der
Liebe
zu
verschließen.
Die
Frontfrau
ANIA
WITCZAK
geht
ganz
offenherzig
auf
uns
zu,
ihre
Partnerin
KATARZYNA
schmeichelt
mit
ihrem
Charme
und
einer
Stimme,
die
aus
den
Schluchten
der
Hohen
Tatra
zu
kommen
scheint.
Im
Gespann
mit
der
Trompete
von
SZYMON
BOBROWSKI
entsteht
ein
Soundgebräu,
das
sehr
atmosphärisch
die
Ohren
betört
und
dann
sich
wieder
in
explosive
Soli
ausweitet,
die
sich
wie
ein
Rausch
anfühlen.
Ich
bin
schlichtweg
begeistert,
so
wie damals, als ich das erste Mal Mari Boine live erleben durfte.
In
einem
afrikanischen
Dialekt
steht
DIKANDA
für
Familie,
für
Freude
am
Gesang,
Leidenschaft
und
jede
Menge
Emotionen
sowie
pure
Energie.
Die
Band
aus
dem
benachbarten
Polen
ist
ein
Powerteam,
dessen
Faszination
man
sich
nicht
zu
entziehen
ermag.
Die
Musik
fühlt
sich
an
wie
aus
einem
Schmelztiegel,
in
den
man
alle
Zutaten
gab,
um
daraus
etwas
kraftvoll
Eigenes
zu
schöpfen.
Wir
erleben
lange
rhythmische
Passagen,
über
denen
sich
das
Spiel
der
Trompete
in
freien
Improvisationen
entfaltet,
die
Gitarre
wilde
Soli
aus
ihren
Saiten
zaubert
und
DANIEL
KACZMARCZYK
wie
wild
dazu
Cajon
und
Trommel
bearbeitet.
Beide
Damenstimmen
geben
diesem
Instrumentalfeuerwerk
Glanz,
Charisma
und
den
besondere
Schuss
Esprit.
Dann
wieder
gewinnt
fast
Stille
die
Oberhand.
Die
Musiker
setzen
sich
auf
den
Bühnenboden
und
lauschen
dem
Gitarristen
bei
einem
filigranen
Solo,
dessen
dichte
Atmosphäre
mich
entfernt
an
manche
heiße
Momente
im
Dreiklang
von
Paco
de
Lucia,
Al
Di
Meola
und
John
McLaughling’s
„Friday
Night
In
San
Francisco“
erinnert.
Einfach
großartig,
so
etwas hätte ich hier nicht erwartet.
Ich
bin
zwei
Stunden
gefangen
im
reichen
Zauber
der
Klänge
und
Rhythmen,
in
der
außergewöhnlichen
Atmosphäre
der
Musik
und
des
Ortes
gleichermaßen.
Ich
lasse
mich
fallen
und
genieße
es,
eine
Band
im
kleinen
Rahmen
zu
erleben,
die
man
ansonsten
in
den
Hallen
und
bei
Festivals
mit
tausenden
Besuchern
erlebt.
Manchmal
muss
man
eben
die
Hand
annehmen,
die
einem
das
Glück
reicht,
und
bereit
sein,
sich
auf
Ungewöhnliches
einzulassen,
um
selbst
bereichert
werden
zu
können.
Auch
von
anderen
Menschen,
die
bei
uns,
zeitweilig
oder
länger,
auf
Hilfe
und
Unterstützung
hoffen,
von
denen
wir aber auch lernen können, wenn wir mutig genug sind, uns einzulassen.
Nach
dem
tosenden
Beifall
eines
überaus
sachkundigen
Publikums
erleben
wir
noch
die
Faszination
einer
uralten
polnischen
Weise.
„Hanka
(mit
den
blauen
Augen)“,
sagt
man
uns,
wurde
von
den
alten
Weibern
ohne
Zähne
in
der
Kirche
gesungen.
In
dem
„Omalied“,
so
sagt
uns
ANIA,
geht
es
darum,
seine
innere
Ruhe
zu
bewahren,
egal
in
welcher
Situation.
Wenn
nicht,
müsse
man
weinen
und
die
Tränen
würden
zum
Meer
fließen.
Sie
würden
uns
das
Lied
in
einer
Version
für
junge
Frauen
mit
Zähnen
singen
–
und
dann
wird
aus
dem
polnischen
Wirbelwind
ein
Orkan,
dessen
Vokalakrobatik
mich
nur
noch
staunen
lässt.
Noch
einmal
tobt
die
musikalische
Urgewalt
verschiedener
ethnischer
Stile,
ehe
sich
der
verbliebene
Rest als a-capella-Dreiklang von uns verabschiedet.
Ich
sage
seit
langer
Zeit
wieder
einmal
„Dziękuję!”
und
sehe
in
die
Gesichter
freundlicher
Menschen,
die
mir
eine
neue
CD
signieren.
Auf
der
Fahrt
über
die
nächtliche
Piste
nach
Hause
höre
ich
die
Neuheiten,
die
einen,
der
nicht
abgeschottet
sein
Leben
lebt,
nicht
mehr
verwundern
können.
Das
einzige,
das
mich
wundert,
ist
die
Arroganz,
mit
der
sich
die
Politik
das
Geschehen schon wieder schön redet: Dobranoc!