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Depui – Folk aus Norwegen im Kloster Huysburg 03.09.2019 Wäre ich noch einmal jung und ich dürfte mir einen Ort zum Leben aussuchen, er würde in Dänemark, Finnland oder Norwegen liegen. Das hat viel mit Erfahrungen während einiger Segeltörns zu tun, aber auch mit dieser ursprünglichen Gelassenheit, die Menschen in Skandinavien einem vermitteln können. Und zu guter Letzt natürlich auch mit der Musik indigener Völker des Nordens, die so faszinierend ist. Deren Klang hat viel von rauer Schönheit, sie ist noch unverfälscht und klar wie ein Gebirgsbach. Das ist vielleicht auch der Grund, weswegen es mich heute zum Kloster Huysburg zieht. Ein Mann namens DEPUI aus Norwegen hat sich, gemeinsam mit Freunden, für ein Konzert angekündigt und eine neue CD soll es dann auch geben. Mitten in der Woche ist mir danach, dem abendlichen Sofa zu entfliehen. Die Klosteranlage empfängt mich mit spätsommerlicher Frische und einer beruhigenden Stille, die den Ort auf der Kuppe des Huy so besonders macht. Dass hier regelmäßig außergewöhnliche Konzerte mit außergewöhnlichen Künstlern stattfinden dürfen, ist einem Zufall, einer glücklichen Fügung sowie den offenen Ohren der Brüder zu danken. Sich hinter deren Mauern dem Genuss guter Musik hinzugeben, hat gleichzeitig etwas mit Abkehr von den weltlichen Unwägbarkeiten zu tun. Man stellt sie einfach auf dem Parkplatz am Waldrand ab und schreitet entlastet sowie demütig durch das Tor. Auch Atheisten ist das manchmal ein Bedürfnis und bei Gott ist sicher jeder willkommen, denke ich. Vielleicht ist das ein Grund, weshalb der kleine Norweger da vorn auf dem Drehhocker den Abend mit einem Song eröffnet, der „House Of Joy“ heißt, und für meinen Geschmack etwas von der besonderen Atmosphäre spiegelt. Beinahe schüchtern wirkt DEPUI, singt mit geschlossenen Augen, während seine Tour-Band - Gitarre, Bass, Violine & Cajon - ihn begleitet. Doch langsam taut der kühle Norweger auf und zu zarten Violinen- und Gitarrentupfern von „Hold On“ entfaltet er seine raue nordische Stimme, die tief unter der Haut kratzt. Was für ein effektvoller Kontrast! Das hatte ich so nicht erwartet, jedoch dieser Eindruck verstärkt sich im Laufe des Abends und Songs wie „Baby Jane“ haben sogar Potential für einen Gassenhauer. Auch „Ghost“ entfaltet eine stimmliche Intensität, die durch das Solo-Spiel der Gitarre, gezupft von TOM ANDERS KLUNGLAND, und REGINA MUDRICH mit ihrer Violine, kontrastvoll hervorgehoben wird. Dieser Künstler scheint hier schon ein paar Fans zu haben, denn inzwischen gibt es tosenden Applaus nach solchen Klangperlen. Kein Wunder, wenn Lieder wie „Hold On Hard“ mit einem Touch von Roma & Swing daher kommen und die Solisten mit Violine und Gitarre zu begeistern wissen. Spätestens zur Halbzeit hat mich BENT IVAR DEPUI TVERSLAND, so sein vollständiger Name, der Welt vor den Klostermauern entrissen und innerlich gelöst werden lassen. Dabei ist es nicht mal seine Stimme, von der man natürlich schwärmen kann, sondern für mich eher die Vielfalt der Songs, die sich jeder Zuordnung entziehen. Glaubt man eben noch Folk-Klänge gehört zu haben, sind es Augenblicke später schmelzende Roma- und Swing-Facetten, die Violine und Gitarre im Zusammenspiel erschaffen und dann wieder glaubt man, einen Chorus zu hören, der dem Country nahe ist. Wir Gäste lauschen zum ersten Mal den Songs der neuen CD „Here I Am“ und die präsentiert eine Stil-Mixtur, wie sie gestandene Straßenmusiker live praktizieren. Von jedem ein wenig und doch nur mit echtem Charisma und ihren Botschaften vom Träumen und vom Leben möglich. Für mich ist es genau das, wenn DEPUI leise vom „Blood In My Hands“, vom „Cowboy“ oder dem „Working Man“ erzählt und seine Zuhörer mit in seine Gedankenwelt nimmt. Dann zieht ein stilles Lächeln über sein Gesicht, er schaut zu seinen Mitspielern, als ob er fragen würde: Meinen die mit ihrem Applaus mich? Ja, sie, wir meinen DICH. Müsste ich mir von seinen neuen Liedern eines auswählen, dann würde ich „Is This A Life“ oder den „Frech Kiss“ wählen. Da erzählt er nicht, sondern regt unsere Fantasie an oder lässt vielen Gedanken freien Lauf und sagt schließlich, wieder mit einem Lächeln: „That’s how the story goes“. Dann sitzt er wieder da vorn, die Beine übereinander geschlagen, die Gitarre auf dem Oberschenkel und kann sich (wie ein kleiner Junge) diebisch freuen, wenn die Lieder beim Publikum ankommen und vergessene Erinnerungen wieder freigelegt sind. So geschieht es mir in diesen Minuten. Das macht ihn, von seiner Musik einmal abgesehen, sehr sympathisch und uns auf seine neue CD „Here I Am“ neugierig. Deren Anzahl wurde von Beginn an auf nur 300 Exemplare begrenzt und wer (vorher) wollte, konnte sich mit seinem Namen auf dem Cover, und einem Klingelschild, verewigen lassen. Außerdem ist ein Schild auf dem Cover noch frei gelassen, so dass jeder Käufer (s)einen Namenszug nachträglich eintragen kann. Tolle Marketingidee - das kommende Weihnachtsfest lässt grüßen. DEPUI & Band beenden nach zwei Stunden den Abend mit dem Titelsong der neuen CD. Uns kommt die Aufgabe zu, dabei in den für Norweger typischen „Hepp-Hey-Hey“- Ruf einzustimmen. Klappt nicht ganz, aber der gemeinsame Spaß hat gesiegt. Die Musiker verbeugen sich, wir geben stehend Applaus und danach gibt es noch zwei schöne Zugaben. „Start Healing“ stand als Motto über der ersten Tour, zwei Jahre zuvor, und „King“ ist ebenfalls ein älteres Stück. Darin wünscht sich der Künstler im Traum, ein Mal wenigstens König sein zu dürfen, um all die Unzulänglich- und Ungerechtigkeiten der Welt abschaffen zu können. Während alle wieder klatschen, wünsche ich dem Norweger, sein Wunsch möge in Erfüllung gehen, damit Fremdenhass, Kriegswahn und Menschenhetze endlich verschwinden und die Neugier aufeinander, die Liebe zueinander, das Zepter übernehmen mögen. Jeder Mensch hat Träume, Wünsche und hegt Hoffnungen. DEPUI hat mich wieder an meine erinnert. Danke dafür.