Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Das Dean Brown Trio (USA) live im Turmpark (MD) 07.04.2019 Wer es noch nicht bemerkt haben sollte: Ich suche ständig nach neuen Herausforderungen für meine verwöhnten Ohren. Es macht mir Spaß, die eigenen Hörgewohnheiten zu ergänzen und völlig Neues zu entdecken. Manchmal ergeben sich seltene Gelegenheiten, die man nutzen kann oder nie wieder bekommen wird. Das Gastspiel vom DEAN BROWN TRIO aus den USA, filigraner Fusions-Jazz-Rock auf allerhöchstem Level, ist so eine Chance. Drei absolute Ausnahmemusiker, deren Mitwirkungen bei den Projekten anderer Stars sich wie das Who is Who des internationalen Jazz-Rock lesen, geben ein kleines Club-Konzert ganz in meiner Nähe. Wer allerdings mit solchen Namen wie John McLaughling, Joe Zawinul, Chick Corea oder Billy Cobham nicht viel anzufangen weiß, muss sich an diesem Sonntag anderen Freuden widmen. Ich kann gut ohne Glotze und bin deshalb auf dem Weg zum Turmpark in Magdeburg. Dort war ich bisher nur ein einziges Mal und wollte danach nicht noch einmal dorthin. Doch ich werde überrascht: Eine gepflegte Zufahrtstraße, ich finde einen Parkplatz und die Anlage empfängt mich mit nostalgischem Flair, gemauert aus roten Ziegeln. Obwohl ausverkauft, bekomme ich noch eine Karte. Ich kann die ankommenden Gäste beobachten, die, bis auf wenige Ausnahmen, alle mindestens eine 50plus auf der Uhr zu haben scheinen. Mir drängelt sich der Eindruck auf, dass die einst alle Santana, Steely Dan, Ekseption oder das Mahavishnu Orchestra gehört haben könnten. Es geht mir, trotz der Aussicht auf ein langes Stehkonzert, verdammt gut in so einer Gesellschaft. Nur dass ich niemanden hier kenne, stört mich diesmal ein wenig. Irgendwann nach Acht zwängen sich die drei Musiker durch das Publikum zur Bühne und werden von den Musikenthusiasten begrüßt. DENNIS CHAMBERS verschwindet hinter seinem Drum-Set, HADRIEN FERAUD nimmt sich den Bass zur Brust und DEAN BROWN zögert keinen Augenblick, in die Saiten der Gitarre zu greifen. Plötzlich dominieren funkige Gitarrensounds und harte Beats den Raum, die Körper beginnen zu wippen, während der Gitarrist mit tänzelnden Schritten die Bühne auslotet. Nur der Mann am Bass steht fast regungslos am rechten Bühnenrand und gibt dem Sound ein filigranes Fundament. Lächelnd entlockt er seinem Instrument scheinbar mühelos komplizierte Läufe, während der Gitarrist seine Impulsivität fast sprunghaft und tänzelnd auf der Bühne auslebt. „Take This!“ ist eine knackige Kombination aus Rock- und Funk-Anleihen, die andeuten, wohin die Musiker mit uns an diesem Abend unterwegs sein werden. Schon mit dem nächsten Stück „(Ssss)Solid“ wird die Bandbreite deutlich erweitert. Auf der Basis von präzisen Rhythmusfundamenten erleben wir furiose Soli auf Gitarre und Bass-Saiten, die nur den ganz eigenen Intentionen der Musiker zu folgen scheinen. HADRIEN beobachtet in Ruhe, wohin es DEAN im nächsten Moment treibt, um dann adäquat mit seinem Bass-Spiel darauf zu reagieren. Das Trio groovt und es rockt und manchmal glaube ich sogar, ein paar Quäntchen Swing herauszuhören. Es macht mir unheimlich viel Spaß, den beiden Fingerakrobaten zuzuschauen und mich auch überraschen zu lassen. Die solistischen Ausflüge von DEAN BROWN, mal eher rockig, dann wieder Latin angehaucht, strotzen nur so vor Energie und pendeln irgendwo zwischen dichten rhythmischen Jazz-Harmonien, wie man sie Jon Coltrane kennt, und den weit ausufernden Klang-Exzessen eines Jimi Hendrix. Es fühlt sich an wie eine Art Mittelweg, auf dem sich DEAN gerade verspielt auslebt. Einfach fantastisch! Mit dem wundervollen „You“ wird es beinahe lieblich. HADRIAN streichelt minutenlang die Bass-Saiten und entlockt ihnen mit seinen (überlangen) Fingern Klangkaskaden, die einer fremden Welt entlehnt scheinen. Auch wenn man den Bass nicht als sein Lieblingsinstrument empfinden mag, dieser Mann ist ein Zauberer und zieht die Aufmerksamkeit aller im Raum magisch an. Kein Wunder also, dass John McLaughlin sich den jungen Mann ins Studio holte und ihm so zu internationaler Anerkennung verhalf. Zwar stehe ich an der anderen Bühnenseite, sein virtuoses Fingerspiel aber kann ich gut erkennen und den Tanz zwischen den Bünden bewundern. Ich bin tatsächlich hingerissen! Es ist heiß geworden in der kalten Halle. Kein Wunder, denn das Powertrio spielt eine hitzige Melange, die von stilistischer Vielfalt nur so strotzt. Man kann diese Musik Rock nennen, aber auch Funk oder Latin-Elemente sind zu hören, Jazz ist es sowieso, Fusion erst recht und der Blues kommt auch nicht zu kurz. Schubladen sind nichts, wenn diese Alleskönner ihre Erfahrungen auf der Bühne zum Klingen bringen. Die Musik pulsiert wie Blut in den Adern, dann wieder scheint sie zu schweben und Grenzen aufzulösen, um schon im nächsten Augenblick wie ein lodernder Vulkan wieder auszubrechen. Die solistischen Ausflüge heben das Gesamtkonzept nicht auf, sondern sie wirken wie einzelne Bausteine, die erst gemeinsam das Soundkonzept des Power-Trios zur Entfaltung bringen. Das scheint mir die eigentliche Magie der drei exzellenten Musiker zu sein. Jeder ist sich seiner besonderen Möglichkeiten bewusst, die er mitbringt, ohne sie aber über die Wirkung der Musik stellen zu wollen. Zurückhaltung für das Ganze, Bescheidenheit statt hervorstechen zu müssen, bilden die Basis für den gemeinsamen Erfolg und die musikalische Klasse solcher Instrumentalstücke wie „Hail To The King“. Man merkt allen drei Musikern sichtbar an, dass sie damit unheimlich glücklich sind und wir alle im Raum genießen die außergewöhnliche Atmosphäre einer exzellenten Performance, die man hierzulande nur selten so nah und intim erleben kann. Besonders für letzteres bin ich sehr dankbar. Direkt an der Bühnenkante stehend, kann ich das Spiel von DEAN BROWN bewundern, in seine Augen sehen und seine Mimik beobachten. Keine drei Meter vor mir agiert einer der weltbesten Schlagzeuger und zeigt seine Virtuosität. Ich kann miterleben, wie die Blickkontakten und kleinen Handzeichen der Musiker die Entwicklung des gerade gespielten Stückes verändern, wie aus Rock plötzlich Swing wird und die Töne, wie auf einer Perlenschnur aufgereiht, zum Leuchten gebracht werden. Keine noch so gut ausgearbeitete Set-List ermöglicht so viel Gestaltungsfreiraum. Es scheint, als würden wir erleben, wie sich die Stücke völlig frei und intensiv entfalten können. Das ist für mich Jazz und so ist er einfach großartig. Ich schwimme emotional in diesem Sound mit, versuche die instrumentalen Feinheiten zu genießen und manchmal überkommt mich auch das Staunen. Als das Ende da ist und alle drei vor uns stehen, um sich zu bedanken, bin ich ein wenig überrascht. Zwar signalisiert der Körper schone eine ganze Weile stillen Protest, dass aber schon Schluss sein soll, will mir nicht in den Kopf. Allen anderen auch nicht. Also kündigt DEAN noch eine „nice ballad“ an und dann kracht doch ein Speed-Gewitter über uns herein. Was da auf den Gitarren- und Bass-Saiten fabriziert wird, ist an Schnelligkeit kaum noch zu überbieten, macht aber kurz vor dem Ende einen irren Spaß. Die Finger flitzen, der Sound kocht und DENNIS CHAMBERS hinter der Schießbude trommelt wie ein Derwisch, dass die Becken und Felle zu glühen scheinen. Was für ein grandioser Abschluss eines vielleicht unwiederholbaren Konzertes! Der Philharmonischen Gesellschaft in Magdeburg ist damit ein einmaliger Glückgriff gelungen, diese drei Ausnahmemusiker als Trio hierher zu holen und in einem wundervollen Club hautnah musizieren zu lassen. Glückwunsch, meine Damen und Herren, und jederzeit wieder! Im Grunde ist es doch völlig egal, in welche Schublade man Musik stecken mag. Wichtig ist, dass sie uns berührt, nicht schablonenhaft vervielfältigt wird und uns nicht unterfordert, sondern Geschmack auszubilden versucht. Das alles gab mir dieser Abend im Turmpark und mit dem DEAN BROWN TRIO einen besonderen Leckerbissen als Anreiz dazu. Man sollte sich viel öfter verführen lassen, auch dann, wenn der Mainstream, und damit die Anerkennung vieler, nicht locken. Es könnte aber eine einmalige Erfahrung, ein wundervolles Erlebnis sowie ein Stückchen Weiterentwicklung dabei herauskommen. Es ist nie zu spät dafür! Thanks for ther litte paper (for Bockwurst ) with the line of tunes!