DAVID – kein Schotte wie jeder - eine Hommage 10.08.2021
Der
Kalender
zeigte
den
10.
August
des
Jahres
1971.
Die
DDR
erlebte
gerade
ihre
besten
Jahre.
Zoll
und
MFS
(„Horch
&
Guck“)
arbeiteten
Hand
in
Hand,
es
gab
einen
sozialistischen
Bildungsauftrag
und
eine
Partei,
die
immer
Recht
hatte,
aber
nur
selten
im
Recht
war
und
Rockmusiker
begannen,
einige
ihrer
schönsten
Lieder
zu
schreiben.
Ich
hatte
schöne
Erlebnisse
bei
den
Jungen
Pionieren
sowie
der
FDJ
und
den
Sommer
erlebte
ich
im
Ferienlager
auf
Usedom.
Man
lehrte
uns
Freundschaft
zu
anderen
Völkern
zu
pflegen
und
weil
Afrika
sowie
Kuba
weit
weg
und
die
USA
der
Klassenfeind
waren,
blieben
mir
die
große
UdSSR,
Polen
und
die
CSSR,
als
nächste
Nachbarn.
Doch
irgendwie
klappte
es
mit
deren
fremden
Sprachen
nicht
und
weil
mein
Vater
etwas
englisch
beherrschte,
blieb
mir
nur
der
Blick
über
den
Tellerrand.
Ich
hatte
meinen
Vater,
der
als
Briefmarkensammler
im
Kulturbund
Verbindungen
in
viele
Länder
der
Erde
pflegte,
gedrängt,
er
möge
einige
bitten,
mir
Bilder
bekannter
Rockgruppen
zu
schicken.
Von
der
englischen
Insel
kam
ein
Zeitungsausschnitt
mit
einem
Bild
von
Black
Sabbath,
auf
dessen
Rückseite
Fans
Kurzrezensionen
von
kürzlich
gekauften
Schallplatten
veröffentlicht
hatten.
Mit
den
vollständigen
Anschriften
darunter.
In
heutigen
Tagen
unvorstellbar.
Ich
schrieb
ihnen
allen
Briefe
und
von
einem
fiel
eine
Antwort
durch
meinen
Briefschlitz.
Auf
dem
Kalender stand der 10. August im Jahre 1971, ein ganz normaler Dienstag.
Dieses
unscheinbare
Ereignis
ist
heute,
auf
den
Tag
genau,
50
(in
Worten:
fünfzig!)
Jahre
her.
Damals
begann
eine
Brieffreundschaft,
ein
Gedankenaustausch
auf
Papier,
wie
ihn
sich
junge
Menschen
heute
in
meinem
damaligen
Alter
von
22,
gar
nicht
mehr
vorstellen
können.
Eigene
Gedanken
aufschreiben,
den
Umschlag
abschicken
und
im
Idealfall
einen
Monat
später
eine
handschriftliche
Antwort
erhalten.
Keine
SMS,
keine
Mail,
nix
WhatsApp,
nix
Facebook
oder
Twitter und alles mit der Hand geschrieben!!
Was
für
ein
„Aufwand“,
werden
viele
denken.
Doch
ich
habe
viel
über
andere
Menschen
erfahren,
von
deren
Gefühlen
und
Wünschen
gelesen
und
nebenbei
politische,
geografische
und
sogar
gedankliche
Grenzen
überwunden
(und
nein,
ich
war
NICHT
bei
der
Stasi).
Ich
hatte
nur
ein
Ideal
im
Kopf
und
das
hieß
Rockmusik.
Davon
war
ich
beseelt,
dieses
Feuer
brannte
in
mir.
Diese
Leidenschaft
hatte
ich
mit
David,
der
ebenso
wie
ich
Schallplatten
sammelte,
gemeinsam.
Die
Liebe
zur
Rockmusik
und
die
große
Begeisterung
für
die
gleichen
Künstler,
hat
uns
fünf
Jahrzehnte
verbunden
und
ganz
nebenbei
einige
Lebensweisheiten
und
Erkenntnisse
an
den
jeweils
anderen
übermittelt.
Eine
lautet,
dass
ein
Schotte
alles
andere
als
geizig
ist
und
eine
andere,
dass
man
Zoll
und
MfS
mit
ständig
wechselnden
Ideen
auf
Abstand
halten
konnte,
ohne
dabei
ernsthaft
an
sich
selbst
zweifeln
zu
müssen.
Auch
wenn
eine
lange
Freundschaft
mit
Schottland
in
keinem
Parteiprogramm
vorkam,
uns
beiden
war
und
ist
sie
zu
einem
Lebensbedürfnis
und
Einstellung
geworden,
aus
der
im
Laufe
der
Jahre
eine
ganz
besondere
Dynamik
erwuchs.
Wahrscheinlich
könnte
man
daraus
ein
Drehbuch für einen Film schreiben.
Das
begann
zunächst
vorsichtig
mit
Fotos,
die
David
mir
von
einigen
Platten
schickte:
„Teaser
&
The
Firecat“,
„Fireball“
und
Every
Good
Boy
Deserves
Favour“
sowie
ein
Foto,
das
meinen
Freund
vor
dem
Haus
zeigte.
Später
kam
ein
Bild
mit
der
Post,
gemalt
von
seiner
Schwester
Elisabeth,
das
den
Freund
in
mein
Zimmer
brachte.
Es
ziert
heute
immer
noch
die
Wand
gegenüber
meinem
Schreibtisch.
Später
erhielt
ich
ein
kleines
Päckchen
mit
der
Single
„Rising
Sun“
von
Medicine
Head.
Das
war
der
Versuch,
ob
Schallplatten
aus
Schottland
in
die
DDR
„einreisen“
durften.
Im
März
des
gleichen
Jahres
erreichte
mich
von
Deep
Purple
das
neue
Album
„Who
Do
We
Think
We
Are“.
Von
da
an
bekam
ich
regelmäßig
weitere
Sendungen
mit
neuen
und
alten
Schallplatten
darin.
Alle
geöffnet
vom
Zoll,
wahrscheinlich
auf
ihre
Echtheit
geprüft,
und
mit
großen
Augen
bestaunt,
aber
stets
vollzählig
sowie
unbeschädigt.
David
hat
auf
diese
Weise
schon
in
den
1970er
und
80er
Jahren
den
Grundstock
für
meine
Plattensammlung
gelegt,
auf
die
ich
sehr
stolz
bin.
Im
Gegenzug
fanden
ausgewählte
Vinylplatten
von
Amiga,
Qualiton,
Muza,
Suprahon
und
Pepita
Eingang
in
seine
Sammlung.
Außerdem
erhielt
ich
am
Ende
eines
Jahres
stets
einen
Orkney-Kalender
für
das
neue.
Auch
diese
schönen
Dekors aller Jahre habe ich noch.
Ich
lernte
durch
David
Musik
kennen
und
lieben,
die
ich
ansonsten
niemals
gehört
hätte,
weil
sie
den
Charts
fernblieben:
Curved
Air,
Lindisfarne,
Steeleye
Span,
Nick
Drake,
Clannad
oder
Caravan,
um
nur
einige
zu
nennen.
Von
mancher
Band,
wie
der
damals
noch
unbekannten
Band
Queen,
hatte
ich
meist
die
brandneue
Veröffentlichung
auf
dem
Plattenteller.
In
einem
Brief
erhielt
ich
sogar
eine
kleine
Serie
Originalfotos
eines
Konzertes
von
Eddie
&
The
Hot
Rods,
das
die
Band
1977
in
Malvern
gespielt
hatte.
Es
waren
dennoch
nicht
die
vielen
Briefe,
nicht
die
Menge
an
Langspielplatten
sowie
Singles
und
auch
nicht
die
vielen
anderen
Geschenke
zu
Fest-
und
Feiertagen,
die
mich
innerlich
so
sehr
berührten.
Die
natürlich
auch,
aber
das
Gefühl,
jemanden
außerhalb
der
engen
DDR
„zu
kennen“,
der
wiederum
auch
an
mir
interessiert
war,
das
erfüllte
mich
mit
Stolz
und
Dankbarkeit.
Vielleicht
gerade
deshalb,
weil
es
mitten
im
„Kalten
Krieg“
unvorstellbar
und
unmöglich
schien.
Doch
für
mich
waren
die
zwanzig
Jahre
reales
Leben,
wenn
auch
nicht
ganz
frei
von
Problemen.
Mein
Kontakt
blieb
in
jenen
Jahren
schließlich
nicht
unbemerkt
oder
unkommentiert.
Doch
einige
Versuche,
damit
Druck
auszuüben,
konnten
meine
Begeisterung
für
Rockmusik
nicht
ausbremsen.
Man
ließ
mich
einfach
gewähren,
warum
auch
immer.
Vielleicht
auch,
weil
die
von
mir
und
Freunden
organisierten
Rock-Konzerte
in
meiner
Heimatstadt
so
erfolgreich
waren
und
vielleicht
auch,
weil
Schottland
nicht
„der
Westen“
ist,
also
nicht
die
BRD. Keine Ahnung!
Das
Wort
Freundschaft
umschreibt
das
Geschehen
von
damals
bis
heute
nur
äußerst
mangelhaft.
Da
haben
zwei
Menschen,
in
zwei
Systemen
lebend,
die
gegensätzlicher
kaum
hätten
sein
können
und
in
denen
jeweils
fremde
Sprachen
gesprochen
wurden,
auf
ganz
ähnliche
Weise
gedacht,
gefühlt
sowie
gehandelt.
Wie
viele
andere
in
jenen
Tagen,
waren
wir
von
der
Neugier
getrieben,
mehr
voneinander
zu
erfahren,
als
man
uns
in
den
jeweiligen
Systemen
zugestehen
wollte.
Was
bei
dem
einen
als
ein
„antifaschistischen
Schutzwall“
galt,
hieß
westlich
schlicht
„Eiserner
Vorhang“.
Dass
diese
Grenze
auf
alle
möglichen
Arten
durchlässig
sein
konnte,
wenn
man
wollte,
hatten
diese
Herrschaften
wohl
nicht
auf
dem
Schirm
und
dass
„der
Westen“
nicht
nur
die
BRD
war,
wohl
auch
nicht.
Aber
so
engmaschig
dachten
wahrscheinlich
viele,
die
meinten,
die
Macht
auf
ewig
gepachtet
zu
haben
und
Sehnsüchte
beeinflussen
und
lenken
zu
gönnen.
Die
schottischen
Orkney
Inseln
befanden
sich,
so
meine
heutige
Deutung,
außerhalb der „manifestierten“ Schwarz-Weiß-Schablonen von Partei- und Staatsoberen.
Mein
Freund
David
hat
inzwischen
fast
sieben
Jahrzehnte
ein
schottisches
Leben
geführt
und
so
ganz
nebenbei
eine
ansehnliche
Plattensammlung
aus
der
DDR,
Ungarn,
Polen
und
der
CSSR
im
Regal
zu
stehen.
Wir
schicken
immer
noch,
wenigstens
ab
und
an,
Tonträger
hin
und
her.
Ich
erhalte
meist
gute
alte
Raritäten
auf
Vinyl
und
ich
sende
ihm
interessante
CD-Neuheiten,
obgleich
davon
hier
nicht
mehr
viele
interessante
entstehen.
Wir
schreiben
uns
regelmäßig
Briefe
und
wir
telefonieren
miteinander.
Seine
Schwester
Elisabeth
hat
eine
schwere
Erkrankung
überstanden
und
Tommy
ist
ein,
weit
über
die
Grenzen
Schottlands
hinaus,
bekannter
Storyteller.
Eine
Gattung,
die
es
hier
nicht
gibt.
Hätte
ich
David
nicht
in
meinem
Leben,
die
Geschwister
Elisabeth
und
Tommy
nicht
in
meinen
Gedanken,
wäre
mein
Leben
unerfüllt.
Tom
schrieb
mir
schon
in
den
1970ern
ein
Buch
über
„The
Who“
und
mit
Elisabeth
telefoniere
ich
manchmal.
Dann
reden
wir
über
das
Leben
hier
oder
auf
den
Inseln.
Und
dennoch
schiebe
ich
einen
Wunsch
seit
drei
Dekaden
vor
mir
her,
wie
eine
schwere
Entscheidung,
bei
der
man
über
sich
hinaus
wachsen
müsste.
Bis
heute
war
ich
noch
niemals
auf
den
Orkney
Inseln,
habe
ich
die
Geschwister
nicht
in
ihrer
Heimat
getroffen
und
haben
wir
noch
nicht
die
schottische
Inselwelt
von
Orkney
gemeinsam
erkundet.
Noch
steht
die
Erfüllung
des
finalen
Wunsches
bevor.
„Who
Knows
Where
The
Time
Goes?“,
sang
einst
die
großartige
Sandy
Denny,
deren
Musik
mir
David
in
den
1970ern
nahe
brachte.
Die
Zukunft
wird
auch
diese
Frage
beantworten,
wenn
alle
Voraussetzungen
im
Gleichklang
schwingen.
Nach
50 Jahren und vielen Widrigkeiten, die es nicht immer gut mit uns meinten, sollte eine Reise dorthin noch möglich sein.
Ich
wünsche
mir
sehr,
dass
gerade
in
der
heutigen
Zeit,
wo
die
Möglichkeiten
vielfältiger,
aber
leider
die
Vorbehalte
und
Voreingenommenheit
viel
größer
geworden
sind,
als
in
meinen
DDR-Lebensjahren,
junge
Menschen
die
Chancen
nutzen,
über
den
eigenen
Tellerrand
hinaus
zu
sehen,
zu
reisen
und
zu
lauschen,
zu
fliegen
und
vor
allem
neugierig
auf
andere
Kulturen,
Völker
und
deren
Lebensweisen
zu
sein.
Die
Zeit
ist
nicht
stehen
geblieben,
sie
hat
nur
alles
verändert.
Schon
Bob
Dylan
sang
„The
Times
They
Are
A-Changing“
(Die
Zeiten
ändern
sich).
Nach
der
Wende
begann
der
Kampf
um
Einfluss
und
Macht
erneut.
Alles
ist
anders,
nichts
ist
besser
und
Europa
nicht
das,
was
die
Menschen
sich
darunter
vorstellen
und
der
Brexit
scheint
mir
die
größte
Dummheit
dieser
Bemühungen
zu
sein,
der
alles
nur
noch
komplizierter
macht.
Denn
wenn
wir
alle
mehr
voneinander
wissen,
uns
besser
verstehen
wollen,
wenn
wir
uns
respektieren,
wie
wir
sind,
hätten
es
all
diese
selbstherrliche
Idioten,
Scheinbesserwisser
und
Angstmacher
auf
dieser
Welt
nicht
mehr
so
leicht,
uns
als
Individuen
und
Völker
gegeneinander
aufzuhetzen.
So
viele
Jahrzehnte
Leben
und
wir
stehen
immer
noch
am Anfang …
Wir
spielen
und
hören
weder
Ost-
noch
Westmusik,
sondern
nur
eine
vielfältige
Klang-
und
Liederwelt
vieler
Kulturen.
Wir
haben
so
viele
Möglichkeiten,
uns
zu
verständigen,
Internet
statt
Briefe
schreiben,
reisen
statt
nur
träumen
–
aber
wir
nutzen
sie
viel
zu
wenig
und
lassen
uns
digitale
Falschmeldungen
und
verkürzte
Argumente
über
das
Netz
andrehen,
nur
weil
wir
verlernt
zu
haben
scheinen,
unseren
Verstand
zu
bemühen.
Lasst
mit
Euch
keine
Spielchen
machen!
Musik,
gleich
welcher
Art,
kann
Fremde
zueinander
bringen,
kann
Freunde
aus
ihnen
machen,
wenn
wir
alle
genügend
Toleranz
füreinander
aufbringen.
Hass
wird
alle
Möglichkeiten
zerstören,
Liebe
und
Achtung
wird
uns
näher
bringen
und
diese
Welt
ein
wenig
zum
Besseren
verändern.
Wir
müssen
und
können
es
wollen,
wie
sehr
uns
auch
gesellschaftliche
Umstände
daran
zu
hindern
scheinen.
Wenn
ich
etwas
aus
50
Jahren
Freundschaft
mit
der
Orkney-
Family gelernt habe, dann an sich selbst zu glauben, sich nicht beirren zu lassen sowie menschlichen Idealen folgen.
David in den späten 1970er Jahren.