DAVID – (k)ein Schotte wie jeder November 2019
Es
war
der
10.
August
im
Jahre
1971.
Es
gab
die
DDR,
die
deutsche
Post
und
den
Zoll,
das
MfS,
von
uns
„Horch
und
Guck“
genannt,
einen
sozialistischen
Bildungsauftrag
und
eine
Partei,
die
immer
recht
hatte.
Ich
war
bei
den
Pionieren,
in
der
FDJ
und
manchmal
im
Ferienlager.
Die
Funktionäre
sprachen
von
Freundschaften
zu
anderen
Völkern
und
weil
Afrika
und
Kuba
so
weit,
Amerika
der
„Feind“
und
die
Sowjetunion
so
unvorstellbar
groß
waren,
bin
ich
auf
einen
geizigen Schotten gekommen. Auch in der DDR gab es Eigeninitiativen, die dem Glück auf die Sprünge helfen konnten
Durch
unseren
Briefschlitz
in
der
ersten
Etage
fiel
eines
Tages
ein
Brief,
der
sah
völlig
anders
aus,
als
die,
die
sonst
zu
uns
kamen.
Da
mein
Vater
nahezu
täglich
Briefe
aus
dem
Ausland
erhielt,
wusste
ich
sofort,
was
da
die
Stunde
geschlagen
und
die
Posttante
eingeworfen
hatte.
Jemand
auf
dem
Globus
hatte
mir
eine
Antwort
auf
einen
meiner
kurzen
Briefe
geschickt,
die
ich
vielleicht
zwei
Wochen
zuvor
geschrieben
hatte.
Meinen
Vater
hatte
ich
gebeten,
einer
seiner
Briefpartner
aus
England
möge
mir
bitte
einige
Fotos
von
Rock-Bands
schicken.
Daraufhin
kam
ein
Brief
mit
einem
Zeitungsfoto
von
Black
Sabbath
aus
dem
MELODY
MAKER,
damals
eine
der
angesagten
Musikfachzeitschriften
aus
England.
Auf
der
Rückseite
fanden
sich
Kurzrezensionen
von
Lesern
mit
deren
Postadressen.
Unvorstellbar
in
heutigen
Zeiten,
doch
damals
kein
Problem.
Ich
schrieb
sie
fast
alle
an
und
bat
darin,
einen
Rock-Fan
aus
der
DDR
mit
aktuellen
Informationen
aus
England
zu
versorgen.
Am
10.
Augusttag
im
Jahre
1971
begann
mit
einem
unscheinbaren
blauen
Faltumschlag
eine
Brieffreundschaft,
die
inzwischen
seit
über
fünfundvierzig
Jahre
besteht
und
selbst
im
digitalen
Zeitalter
noch
immer
unkonventionell
auf
Papier
gepflegt
wird.
Jeden
Schnipsel
von
1971
bis
heute
habe
ich
aufgehoben
und
einsortiert.
Dieser
erste
Brief
beginnt
mit
den
Worten:
„Thank
you
for
writing
to
me.
If
it’s
musical
correspondence that you are looking for you’ve come to the right place“.
David
ist
auf
der
Hauptinsel
der
Orkney
Inseln
von
Schottland,
in
Kirkwall,
zu
Hause.
Dort
lebt
er
seit
seiner
Geburt
und
hat,
wenn
meine
Informationen
richtig
sind,
diesen
Ort
bisher
nur
äußerst
selten
verlassen.
Dennoch
hatten
der
DDR-
Bürger
und
der
Schotte
noch
ein
weiteres
Merkmal
gemeinsam;
ihre
große
Leidenschaft
für
Rockmusik
im
Allgemeinen
und
Schallplatten
im
Besonderen.
Diese
Liebe
und
Begeisterung
hat
uns
in
den
vergangenen
Jahrzehnten
aneinander
gekettet
und
so
ganz
nebenbei
auch
einige
Lebensweisheiten
und
Erkenntnisse
an
den
jeweils
anderen
übermittelt.
Eine
davon
lautet,
dass
ein
Schotte
alles
andere
als
geizig
ist
und
eine
andere,
dass
man
Zoll
und
MfS
ständig
mit
neuen
Ideen
auf
Trapp
halten
konnte,
ohne
dabei
ernsthaft
an
sich
selbst
zweifeln
zu
müssen.
Es
hat
sogar
Spaß
gemacht
und
unseren
Erfindergeist
befördert.
Auch
wenn
die
Freundschaft
mit
den
Schotten
in
keinem
Parteiprogramm
vorkam,
uns
beiden war und ist sie zu einem Lebensinhalt geworden.
Anfangs
noch
zögerlich
und
holprig
in
englischer
Sprache
(nach
dem
Wörterbuch)
Briefe
schreibend,
entwickelte
der
Briefwechsel
bald
eine
eigene
Dynamik.
Ich
erhielt
haufenweise
aus
Musikmagazinen
ausgeschnittene
Fotos
und
Artikel,
manchmal
ganze
Seiten,
auf
Briefgröße
gefaltet
und
dann
auch
die
erste
Vinyl-Single:
Medicine
Head
„Rising
Sun“.
Die
kleine
Geschenksendung
lief
problemlos
durch
den
Zoll
und
ermunterte
David
alsbald,
es
mit
einer
LP
zu
versuchen.
Deep
Purple’s
„Who
Do
We
Think
We
Are“
war
mein
erstes
Rock-Album,
das
auf
diesem
Wege,
natürlich
aufmerksam
vom
Zoll
„bestaunt“,
in
meine
Sammlung
gelangte.
Bis
zum
Ende
des
Landes,
in
dem
ich
geboren
wurde,
kamen
mehr
als
400
Langspielplatten
zu
mir
und
etwa
ebenso
viele
von
Amiga,
Muza,
Pronit,
Supraphon,
Qualiton
und
Pepita
gingen
auf die Reise zu ihm auf die schottischen Inseln.
Auf
diese
Weise
lernte
ich
viel
Musik
kennen,
die
ich
sonst
nie
zu
hören
bekommen
hätte,
weil
sie
in
den
Charts
nicht
vorkam:
Curved
Air,
Lindisfarne,
Steeleye
Span,
Nick
Drake,
Albion
Dance
Band
und
Clannad,
um
nur
einige
zu
nennen.
Von
ihm
erhielt
ich,
ebenfalls
auf
Briefgröße
gefaltet,
sowohl
von
Island
als
auch
von
Charisma,
zwei
angesagte
Platten-
Lable
jener
Tage,
die
Kataloge.
Das
hatte
zur
Folge,
dass
ich
die
Veröffentlichungen
von
noch
mehr
Bands
vor
Augen
hatte
und
aussuchen
konnte,
welche
ich
denn
haben
möchte.
Von
mancher
Band,
wie
der
damals
noch
unbekannten
Queen,
hatte
ich
immer
die
jeweils
brandneue
Veröffentlichung
auf
dem
Plattenteller.
Einmal
erhielt
ich
sogar
eine
kleine
Serie
Originalfotos
eines
Konzertes
von
Eddie
&
The
Hot
Rods,
das
die
Band
1977
in
Malvern
gegeben
hatte.
Es
waren
aber
nicht
die
vielen
Briefe,
nicht
die
Menge
Schallplatten
und
auch
nicht
die
vielen
anderen
Aufmerksamkeiten
zu
Ostern,
Weihnachten
oder
an
Geburtstagen,
die
mich
innerlich
so
sehr
berührten.
Die
natürlich
auch,
aber
das
Gefühl,
jemandem
außerhalb
der
DDR
zu
„kennen“,
der
wiederum
auch
versuchte,
mich
vorurteilsfrei
kennenzulernen,
war
etwas,
was
mitten
im
Kalten
Krieg,
unvorstellbar
und
unmöglich
schien
und
doch
war
es
real.
Das
Wort
Freundschaft umschreibt das alles nur sehr mangelhaft.
Da
haben
zwei
Menschen,
in
zwei
Systemen
lebend,
die
kaum
gegensätzlicher
hätten
sein
können,
auf
die
gleiche
Weise
gedacht,
gefühlt
und
gehandelt
und
so
ganz
nebenbei,
über
viele
Jahre
hinweg,
den
„Regeln“
auf
beiden
Seiten
ein
Schnippchen
geschlagen.
Er
erzählte
von
seinem
Leben,
den
schönen
und
den
unangenehmen
Seiten,
und
ich
versuchte,
mein
Leben,
so
wie
ich
es
empfand,
in
englische
Worte
zu
kleiden.
Niemals
gab
es
einen
Versuch,
den
jeweils
anderen
zu
belehren.
Wie
viele
in
jenen
Tagen
waren
wir
von
Neugier
getrieben
und
vom
dem
Wunsch,
mehr
voneinander
zu
wissen,
als
man
uns
in
den
jeweiligen
Medien
zugestehen
wollte.
Was
bei
den
einen
als
„antifaschistischen
Schutzwall“
galt,
hieß
bei
den
anderen
„Eiserner
Vorhang“.
Dass
dieses
Ding
auf
alle
möglichen
Arten
durchlässig
sein
konnte,
wenn
man
denn
wollte,
hatten
die
meisten
wohl
nicht
auf
dem
Schirm
und
dass
„Westen“
nicht
nur
die
BRD
war,
auch
nicht.
Aber
so
dachten
wohl
viele,
die
(uns)
zu
regieren
meinten.
Orkney
befand
sich,
so
meine
heutige Deutung, offensichtlich außerhalb dieser Denk- und Handlungsweisen.
Mein
Freund
DAVID
hat
inzwischen
über
sechs
Jahrzehnte
als
Schotte,
als
Orcadian,
ein
schottisches
Leben
geführt
und
so
ganz
nebenbei
eine
nahezu
vollständige
Sammlung
von
DDR-Rock-Platten
sowie
eine
Menge
Ungarn-,
Polen-
und
CSSR-Vinyl
im
Regal.
Schallplatten
tauschen
wir
nicht
mehr,
denn
ich
kann
meine
Wünsche
selbst
erfüllen
und
David
hat
sich
mehr
auf
das
Lesen
von
Büchern
verlegt.
Wir
schreiben
uns
ab
und
an,
tauschen
Kalender
für
das
neue
Jahr
aus
und
zu
Weihnachten
gehen
wieder
die
Dresdner
Stollen
in
Richtung
Orkney
Inseln
auf
die
Reise.
Wenn
ich
ihn
nicht
in
meinen
Gedanken
wüsste,
nichts
von
seiner
liebevollen
Schwester
Elisabeth,
seinem
Bruder
Tommy,
dem
ich
ein
quasi
von
Hand
geschriebenes
Buch
über
„The
Who“
verdanke,
und
den
anderen
in
der
Familie,
wäre
mein
Leben
unvollständig
und
viele
meiner
heimlichen
Wünsche
wären
unerfüllt
geblieben.
Einen
Wunsch
allerdings
schiebe
ich
seit
den
Wendewirren
vor
mir
her.
Bis
heute
haben
wir
es
nicht
geschafft,
uns
in
seiner
Heimat
auf
den
Orkney
Inseln
zu
treffen
und
seine
Inselwelt
gemeinsam
zu
erkunden.
Doch
wir
haben
noch
ein
gutes
Stück
Zukunft
vor
uns,
hoffe
ich
jedenfalls,
also
auch
noch
Gelegenheit,
diesen
finalen
Wunsch
zu
realisieren.
„Who
Knows
Where
The
Time
Goes“,
sang
einst
Sandy
Denny,
deren
Musik
er
mir
in
den
1970ern
nahe
gebracht
hatte.
Die
Zukunft
wird
auch
diese
Frage
beantworten.
Ich
wünsche
mir
sehr,
dass
gerade
in
der
heutigen
Zeit,
wo
die
Möglichkeiten
völlig
andere
sind,
als
in
meinen
DDR-
Lebensjahren,
junge
Leute
die
Chance
nutzen,
über
ihren
Tellerrand
hinaus
zu
sehen,
zu
lauschen,
zu
laufen,
zu
fliegen
oder
auch
nur
neugierig
auf
andere
Kulturen,
Völker
und
Lebensweisen
zu
sein.
Wenn
wir
alle
einander
besser
verstehen,
wenn
wir
uns
respektieren,
wie
wir
sind,
hätten
es
einige
selbstherrliche
Idioten
auf
dieser
Welt
nicht
mehr
so
leicht,
uns
gegeneinander
aufzuhetzen.
Es
gibt
weder
West-,
noch
Ostmusik,
sondern
nur
eine
vielfältige
Klang-
und
Liederwelt
auf
dieser
Erde.
Wir
haben
so
viele
gute
Möglichkeiten,
uns
zu
verstehen,
statt
anderen
Argumente
zu
liefern,
mit
uns
ihre
Spiele
um
Macht
zu
betreiben.
Musik,
gleich
welcher
Art,
kann
Fremde
miteinander
verbinden
und
Freunde
aus
ihnen
machen,
wenn
wir
alle
genügend
Toleranz
aufbringen.
Hass
wird
alle
Möglichkeiten
zerstören,
Liebe
und
Achtung
wird
uns
weiterbringen.
Wir
müssen
und
können
es
wollen,
wie
sehr
uns
auch
gesellschaftliche
Umstände,
eigene Vorurteile oder Grenzen im Wege stehen. „All I am saying is give friendship a chance“ – (frei nach John Lennon)!
David in den späten 1970er Jahren.