Bei City, „Am Fenster“, in Thale
21.07.2017
Es
war
keine
Schallplatte,
sondern
ein
simples
magnetisches
Tonband,
das
in
einer
Nachtaktion
beim
Rundfunk
der
DDR
bespielt
wurde.
An
den
offiziellen
Wegen
vorbei,
wurde
der
Song
„Am
Fenster“
der
Band
CITY
auf
einen
Schnürsenkel,
so
die
liebevolle
Bezeichnung
unter
Toningenieuren,
gebannt.
Der
Song
mit
dem
faszinierendem
Geigenspiel,
dem
pulsierenden
Rhythmus
und
dem
Hauch
von
Fernweh
wirbelte
die
Wertungssendungen
des
DDR-
Rundfunks
durcheinander.
Das
muss
schon
1976
gewesen
sein,
denn
in
diesen
Tagen
habe
ich
das
Teil
mit
meinem
Tonbandgerät
Qualiton,
das
ich
immer
noch
habe,
in
der
„Beatkiste“
aufgenommen
und
mit
meiner
Discothek
in
den
Dorfsälen
gespielt.
Der
Song
von
CITY
war
ein
absoluter
Überflieger,
den
man
bedenkenlos
nach
„Paloma
Blanca“
von
der
George
Baker
Selection
spielen
konnte,
ohne
befürchten
zu
müssen,
dass
die
Tanzfläche
plötzlich
leer
wurde.
Ganz
im
Gegenteil!
Erst
aufgrund
dieses
unerwarteten
Erfolges
im
Radio
sah
sich
AMIGA
gezwungen,
diesen
Song
auf
eine
Single-Platte
zu
pressen.
Da
war
der
Hype
fast
schon
wieder
vorüber.
Im
Jahre
1978
hatte
ich
einen
Vertrag
mit
CITY
in
der
Tasche
und
die
Band
mit
der
Geige
im
Instrumentarium
bei
ROCK-MIX
im
Gesellschaftshaus
Elsterwerda
auf
der
Bühne. Es wurde eines der unvergesslichen Konzerte während meiner Zeit als Konzertveranstalter.
Fast
genau
vier
Jahrzehnte
später
besuche
ich
wieder
eines
der
Konzerte
von
CITY.
Diesmal
als
Gast
und
im
Bergtheater
Thale,
die
imposante
Naturkulisse
hinter
der
Bühne
vor
Augen.
Die
Band
und
ihre
Fans
feiern
das
Jubiläum
genau
dieses
besonderen
Liedes,
den
Klang
der
Geige
und
die
Wirkung
der
Worte
vom
„Fliegen
durch
die
Welt“.
Wie
oft
ich
diesen
Klang
schon
live
gehört
habe,
kann
ich
nicht
wirklich
sagen,
ich
weiß
nur,
dass
dies
ein
besonderer
Abend
für
mich
werden
wird.
Seit
drei
Jahren
bin
ich
im
Harz
zu
Hause
und
seit
vierzig
Jahren
habe
ich,
der
ich
selbst
einst
Violine spielen gelernt hatte, dieses orientalisch anmutende Geigenspiel im Ohr. Ich hätte mehr üben sollen!
Auf
dem
Parkplatz
zum
Hexentanzplatz
angekommen,
kann
man
ahnen,
dass
hier
und
heute
nicht
nur
die
Hexen
tanzen
werden.
Eine
Menschentraube
50
plus
X
schlendert
gemütlich
zum
Bergtheater,
an
der
Liftstation
vorüber
abwärts
und
staut
sich
vor
dem
Eingang
zum
Bergtheater.
Ein
kühles
Bierchen
mit
Freunden,
entspanntes
Plaudern
bei
verführerischem
Bratwurstgeruch
und
dann
durch
den
Einlass
bis
zum
oberen
Rand
des
Amphitheaters
am
Berghang.
Plötzlich
weitet
sich
der
Blick.
Nicht
einfach
so,
sondern
nahezu
ins
Unermessliche
über
die
letzten
Baumwipfel
hinweg
hinunter
in
die
Ebene.
Genau
jetzt
weiß
auch
der
Letzte,
warum
sich
hier
oben
die
Hexen
treffen:
Dies
ist
eine
gigantische
Schneise!
Unten,
wie
auf
einem
Tablett,
hat
jemand
Miniaturhäuser
zwischen
die
Felder
gestellt
und
kleine
Orte
entstehen
lassen,
bis
weit
hinaus
zum
Horizont.
Der
Besucher
blickt
auf
Thale
geradeaus,
er
erkennt
Quedlinburg
rechts
dahinter
und
vielleicht
auch
die
Teufelsmauer
nahe
Neinstedt.
Der
Einheimische
findet
den
Bergrücken
bei
Langenstein,
dahinter
Halberstadt
vor
dem
Huy,
der
sich
lang
vor
der
Ferne
und
dem
Horizont
entlang
streckt.
Wer
auch
noch
Magdeburg
im
Dunst
erkennen
kann,
weiß,
dass
er
gerade
eine
Strecke
von
einhundert
Kilometern
überschaut.
Am
oberen
Geländer
stehend,
verharren
viele
Konzertbesucher,
um
genau
dieses
einmalige
Panorama
zu
genießen,
ehe
sie
in
dieses
Halbrund
hinabsteigen,
wo
ganz
unten
die
Bühne
steht.
In
der
vorletzten
Reihe
finde
ich
einen
Platz
und
staune
noch
einige
Bauklötzer
bis
zum
Konzertbeginn
in
die
Landschaft.
„Amazing
Grace“
summt
es
in
mir.
Vor
dem
Ansingen
der
Hymne
„Am
Fenster“,
hat
der
Veranstalter
eine
junge
Band
auf
die
Bergbühne
gelassen.
Das
war
zu
erwarten,
denn
20.00
Uhr
ist
es
noch
taghell
und
die
Lichtspiele
einer
Rockshow
würden
keine
Wirkung
erzielen.
Diese
Aufgabe,
auf
das
Konzert
einzustimmen,
„anzuheizen“,
versucht
diese
Band
mit
ihrem
Frontmann
TONI
zu
bewältigen.
Die
Jungs,
plus
eine
Hintergrunddame,
machen
ihre
Sache
durchaus
gut
und
einige
ihrer
Lieder,
haben
wirklich
Potential.
Mir
bleibt
„Was
wäre
wenn“
in
Erinnerung,
aber
ich
merke
auch,
dass
dies
die
Musik
einer
viel
jüngeren
Generation
ist,
deren
Puls
anderen
Rhythmen
folgt
und
andere
Themen
im
Focus
hat,
haben
muss.
Die
Generation
meiner
Eltern
musste
sich
ja
auch
erst
an
„Yeah,
Yeah,
Yeah“
im
Ohr
gewöhnen.
Die
Musiker
um
Toni
spielen nicht für mich, sie erobern sich gerade ein viel jüngeres Publikum und das machen sie richtig gut.
Drei
Stunden
vor
Mitternacht
kündigt
das
Intro
das
Ende
der
Hexenflüge
und
den
Beginn
des
Konzerts
an.
Wer
öfter
ein
Konzert
von
CITY
besucht,
weiß
um
die
geschickte
Dramaturgie
solcher
Abende
und
auch,
dass
die
Band
gleich
von
Beginn
an
Druck
aufbauen
und
Emotionen
frei
machen
kann.
Stets
mit
kleinen
Überraschungen
in
der
Set-List.
In
diesen
Wochen
sind
es
die
Lieder
des
neuen
Albums,
„Das
Blut
so
laut“,
die
Akzente
setzen
werden
und
so
startet
das
Konzert
gleich
sehr
emotional
mit
„Maria’s
Worte“.
Die
treffen
mich/uns
in
einer
besonderen
Lebenssituation
aus
dem
Stand,
mit
ganzer
Wucht
und
tief
im
Herzen:
„Ich
lief
mir
ab
die
Hörner
und
bin
längst
noch
nicht
zahm,
ich
frag’
mich,
wer
die
Körner
aus
meiner
Sanduhr
nahm.“
Für
einen
Moment
stockt
mir
der
Atem,
spüre
ich
diesen
Kloß
im
Hals
und
die
Beklemmung
im
Körper,
ehe
es
mir
gelingt,
mich
der
Botschaft,
und
den
noch
folgenden,
zu
öffnen.
Ich
kenne
keine
zweite
deutsche
Band,
die
das
nach
so
vielen
Jahren
bei
mir
immer
noch
schafft.
Der
Einstand
ist
gelungen,
der
weite
Blick
in
die
Landschaft,
die
emotionale
Tiefe
der
Worte
und
dieser
Sound
werden
mich
die
nächsten
zwei
Stunden
in
die
Arme nehmen und wie auf Wogen tragen.
Nach
diesem
Einstand
und
den
„Sommerherzen“
folgt
der
nächste
Paukenschlag.
Nicht
wie
erwartet
am
Ende,
sondern
schon
in
diesen
ersten
Minuten
schweben
die
Klänge
von
„Am
Fenster“
über
dem
Areal,
denn
„wir
haben
uns
hier
versammelt,
um
genau
dieses
Lied
zu
feiern“,
so
TONI’s
trockener
Kommentar,
„und
damit
wäre
es
ja
auch
schon
abgearbeitet“.
Die
Menge
jubelt
und
versteht.
In
den
tosenden
Applaus
hinein
stellt
der
Frontmann
seine
Bandkollegen,
von
„General“
Selmke
bis
zu
„des
Teufels
ersten
Geiger“,
vor
und
das
Auditorium
feiert
jedes
Mal
lauthals
mit.
Partystimmung
pur
und
dort
hinein
platzt
ein
ausgiebiges
Orgelsolo
von
MANNE.
Ganz
in
Blau
getaucht,
donnern
und
fauchen
die
Keyboards
ihre
Soundkaskaden
den
im
Wald
versteckten
Hexen
entgegen.
Die
Finger
jagen
über
die
Tasten
und
flechten
die
Einleitung
der
Cocker-Version
von
With
A
Little
Help
From
M
Friends“
in
den
Zauber
ein,
um
mit
den
schweren Akkorden vom „Smoke On The Water“ zu enden. Jubel und im weiten Rund toben die Massen.
Ehe
die
bewährten
und
ersehnten
Klassiker
erklingen,
bekommen
wir
Kostproben
des
neuen
Albums
zu
hören
und
die
brauchen
sich
nicht
zu
verstecken.
„Im
Fliederbusch“
und
der
Titelsong
„Das
Blut
so
laut“
haben
das
Zeug
die
Phalanx
der
Klassiker
würdig
zu
erweitern.
Dieser
„Fliederbusch“
scheint
der
„Große
Gelbe
Mond“
von
CITY
werden
zu
wollen:
„Ha’m
uns
getraut
und
angeschaut
im
feuchten
Gras
und
angefasst
und
nicht
nur,
wo
man
darf“,
während
„Das
Blut
so
laut“
durch
die
Arena
donnert
und
pulsiert,
meine
Gedanken
den
gewaltigen
Bogen
zu
„Unter
der
Haut“
(1983)
und
zu
über
dreißig
Jahre
alten
Erinnerungen
schlagen.
Ich
sitze
auf
dem
Platz
und
genieße
es,
diese
drei
Jahrzehnte
irgendwo
vor
mir
in
der
weiten
Ebene
zu
suchen.
Solche
Konzerterlebnisse
werden
für
mich
öfters
auch
zu
einer
Zeitreise
ins
eigene
Leben,
weil
solche
Songs
konkrete
Erlebnisse
spiegeln
können.
CITY
sind
Meister
darin,
die
„Meister
aller
Klassen“, um einen ihren Früh-Klassiker zu zitieren.
Langsam
legt
sich
Dunkelheit
über
die
Ebene
und
erreicht
auch
das
Theater
am
Berghang.
Das
Licht
malt
surreale
Effekte
in
die
Arena,
gibt
dem
Sound
der
Lieder,
zwischen
dem
„Glastraum“
und
„Vater
glaubte“
unterschiedlich
farbige
Gewänder
von
tiefblau
bis
knallrot.
Dazwischen
die
Stimme
von
TONI
KRAHL,
mal
locker
plaudernd
und
dann
wieder
berührend
nachdenklich
„Sind
so
kleine
Hände“
unter
die
Gänsehaut
schiebend.
Ein
Wechselbad
der
Emotionen.
Es
stimmt
wirklich
alles,
jede
Nuance,
jeder
Ton,
jede
Geste.
Fröhlich
ausufernd
mit
„Heyya
(immer
geradeaus)“,
über
die
„Kinder
der
Erde“
bis
zu
„Was
wollen
wir
trinken“.
Da
singt
ein
tausendköpfiges
Auditorium
mit,
das
es
wahrscheinlich
bis
weit
in
die
nächtliche
Ebene
zu
hören
sein
muss
und
irgendwo
am
Waldrand
hocken
die
Hexen
mit
ihren
Besen
und
wundern sich.
Die
bekommen
„z.B.
Susann“
und
„Casablanca“
zu
hören
und
lassen
sich,
genau
wie
ich,
vom
Klang
der
Violine
beim
Solo
verzaubern.
Des
Teufel’s
erster
Geiger,
Joro
Gogow,
zelebriert
diesen
intensiven
Augenblick,
dehnt
ihn
immer
noch
ein
Stück,
ehe
er
den
letzten
Ton
im
tosenden
Applaus
erstickt.
Da
bleibt
kein
Auge
trocken
und
jetzt
sitzt
auch
niemand
mehr.
Vor
mir
ein
Meer
aus
Köpfen
bis
runter
an
die
Bühne,
wo
sich
fünf
älter
gewordene
Rock-Opas
vor
ihrem Publikum verbeugen. Soll heißen: Einer geht noch und einer muss noch!
Dies
ist
der
Moment,
die
vierzigjährige
Hymne
einer
ganzen
Generation
zu
feiern,
denn
nichts
weniger
als
genau
das
ist
„Am
Fenster“.
Die
Berliner
Rocker
rocken
vor
ihrem
stehenden
Publikum
und
überall
in
den
Rängen
und
Reihen
wird
jetzt
auch
getanzt,
die
Hüften
geschwungen
und
gesungen:
„Flieg
ich
durch
die
Welt“.
An
diesem
Abend
zumindest
über
ein
Lichtermeer
unten
im
Harzvorland,
das
zu
uns
hinauf
leuchtet.
Es
ist
für
mich
tatsächlich
unbeschreiblich
schön
und
sehr
emotional,
das
miterleben
zu
dürfen.
CITY
führt
gerade
die
eine
oder
andere
deutsche
Band
wortlos
vor,
die
vor
lauter
Klimbim
auf
der
Bühne
das
Rocken
völlig
vergessen
und
gegen
das
„Performen“
eingetauscht
haben.
Bei
CITY
bekomme
ich
immer
noch
einen
auf
die
Zwölf,
mitten
in
den
Bauch
und
muss
trotzdem
meine
Birne
nicht
auf
„stand
by“
stellen.
Wer
hätte
damals
gedacht,
dass
ein
Rock-Fan,
Baujahr
September
1949,
seinem
Rock-„Star“,
vom
Oktober gleichen Baujahres, bis vor die Rampe am Berg folgen würde. Ich find’s einfach nur geil!!
Noch
einen
winzigen
Augenblick,
dann
ist
der
letzte
Ton
verklungen.
Gleißendes
Bühnenlicht
zerrt
aus
der
Dunkelheit
die
Silhouetten
von
tausend
Menschen,
die
zwei
begeisternde
und
bewegende
Stunden
auf
dem
Berg
erleben
durften.
Was
für
eine
Band,
was
für
geile
Songs
und
welche
traumhaft
schöne
Kulisse
für
all
das!
Inzwischen
habe
ich
wohl
realisiert,
dass
dies
hier
mein
Platz
zum
Älterwerden
ist,
dass
der
Rock-Opa
aus
EE
den
Harz
für
sich
entdeckt
und
gleichzeitig
den
Rock’n’Roll
weiter
ausleben
darf.
Stunden
wie
die
mit
CITY
geben
Kraft
für
den
nächsten
Tag,
die
nächste
Woche,
das
kommende
Halbjahr
und
–
so
der
Rock-Olymp
will
–
noch
mindestens
ein
weiteres
gemeinsames
Jahrzehnt
im
Angebot
bereit
hält.
Mit
dieser
Zuversicht
im
Herzen,
steige
ich
dem
Parkplatz
entgegen
und
Minuten
später bin ich nur ein winziges Teil einer langen Schlange von roten Rücklichtern, den Berg hinunter.
Danke
für
diesen
Abend,
danke
dem
Veranstalter,
der
viel
Mut
und
Geschmack
bewiesen
hat
und
ganz
besonderer
Dank
an Manne, den ich seit vier Jahrzehnten kenne und schätze.