Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Yusuf singt Lieder von und Cat Stevens 14.05.2011 Wer den „Sgt. Pfeffer“ der Beatles neben den „Satanischen Majestäten“ der Stones im Regal stehen hat, der sollte vielleicht auch die Geschichten vom „Tee beim Wurzelmännchen“ und die vom „Kobold mit seiner Feuerkatze“ besitzen. Die passen prima dazu, auch wenn der musikalische Gehalt ein völlig anderer ist. Dem Vergleich halten „Teaser, Tillerman & Firecat“ mit den darin enthaltenen Liedern allemal stand, auch wenn sie ein gewisser CAT STEVENS schon vor Urzeiten, also 1971/72, gesungen hat. Was soll’s, „Pfeffer“ und „Ihre Majestäten“ sind noch mal drei Jahre älter, will sagen, sie kommen alle aus der gleichen fernen kreativen Pop-Galaxie. Mit den Abstand von 40 (!) Jahren wirken beide Scheiben dieses Cat Stevens mit denen vom Sänger und Komponisten selbst gestalteten Cover heute, als würde ich zwei Märchenbücher in den Händen halten. Und das sind bei weitem nicht seine einzigen! Legt man die Platten auf, wird man entführt weit weg in eine andere Gefühls- und Liederwelt voller Schönheit und der Suche nach dem Sinn des Lebens, voll Poesie sowie wundersamer Geschichten und Gleichnisse. Diese Musik verführt zum Träumen, verführt zu Harmonie und Liebe und wer weiß, sicher auch zu manch einem Menschenkind der Liebe, das heute lebt und nichts von diesem damals „angebrochenen Morgen“ ahnt - oder doch? Ich bin schon immer ein Liebhaber von Märchen, Geschichten, Mythen und Erzählungen gewesen. Schon als Kind liebte ich es, vorgelesen zu bekommen. Dann las ich selbst und auf den Schwingen meiner eigenen Fantasie, hab’ ich mir oft die Bilder zu den gesungenen Fabeln meiner Schallplatten erdacht. Eine Gabe, die ich noch immer nutze. Wenn ich aber gesagt hätte, ich fahre zu einem, der solche Geschichten zu singen weiß, würden vielleicht einige ungläubig mit dem Kopf schütteln. Ich hab’ eine Notlüge gebraucht und gesagt, dass ich zu einem Konzert von YUSUF fahre, der mal CAT STEVENS hieß und so wunderschöne Lieder, wie die vom „Peace Train“ (Friedenszug) geschrieben hat. Da bekamen dann doch einige einen neidvollen Blick. Im riesigen Oval der Arena summt es wie in einem Bienenstock. Tausende sind gekommen, um Cat Stevens, den Troubadour der Liebes- und Hoffnungslieder aus ihrer Jugendzeit, zu erleben. So viele glänzende Augenpaare hab’ ich noch nie in meinem Leben gesehen und so viele vor Glück und Hoffnung strahlende Menschenkinder auch nicht. Der Regen kurz vor dem Konzert tat der Natur gut und der Erwartung und Vorfreude der vielen Angereisten keinen Abbruch. Beinahe pünktlich geht im riesigen Oval das Licht aus. Im langen dunkelbraunen Mantel, die Gitarre vor der Brust, die Haare kürzer und grau und noch immer einen Bart, so steht er allein im Scheinwerferkegel und beginnt zu singen: „Lilywhite“ von „Mona Bone Jakon“. Nichts davon, vor 30 Jahren den Cat Stevens an den Nagel gehangen und der Musik Lebewohl gesagt zu haben. All die Zeit, die Enttäuschungen und all das Warten sind auf einen Wimpernschlag eingedampft, als die Gitarre erklingt und Cat Stevens dazu singt und verdammt, was ist das für eine Stimme! Dieses zarte „Lilywhite“ und „Wind“ werden nicht die einzigen Überraschungen bleiben. Sie deuten an, hier spult einer nicht seine m-zig Welthits ab, sondern präsentiert uns seine Perlen mit viel Gefühl und gepaart mit viel Augenzwinkern eines an sich selbst gereiften Pop-Giganten aus unserer Jugend. So steht der „Straßensänger“ vor der Silhouette einer Dekoration, deren Fetzen mit den beiden Straßenlaternen im Hintergrund das Cover von „Roadsinger“ ahnen lassen. Im Bühnenhintergrund sieht man, einem roten Faden gleich, der durch die Zeitreise führt, vom Meister selbst gezeichnete fantasievoll anmutende Malereien, die diese Zeitreise wie in einem bunten Bilderbuch begleiten werden. Damit ist der Bogen zu den selbst gestalteten Plattenhüllen der 70 Jahre geschlagen. Zu den selten gehörten Melodien kommen Song für Song die Musiker seinen Band auf die Bühne, bis sie als Ganzes musizierend das Fenster zu einigen der großen Lieder des Cat Stevens aufgestoßen. „Where Do The Children Play“ (Wo spielen die Kinder?), „Here Comes My Baby“, einst eine Ballade, aus der die Tremeloes 1967 einen fröhlichen Gassenhauer machten und „First Cut Is The Deepest“ aus dem gleichen Jahr. Im Mittelpunkt der ersten Konzerthälfte stehen die Fragmente vom Songzyklus „Moonshadow“, die der Meister eigentlich mal als Musical gedacht hatte. Es erzählt die Geschichte von Stormy und Liza auf der Suche nach Harmonie („Maybe There’s A World“) und diese Suche, die sowohl den jungen als auch den gereiften Cat Stevens treibt, endet an diesem Abend mit einer kraftvoll neuen Version des Frühklassikers „Matthew & Son“. Für seine Konzerte hat er sich auch „Boots & Sand“ (Stiefel und Sand) aus dem Jahre 2004 ausgewählt. Die Inspiration dazu entstand durch eine Einreiseverweigerung in die USA, denn ein Bartträger zu sein und Yusuf zu heißen, ist seit dem 11. September 2001 im „Land der Freiheit“ nicht gerade eine Empfehlung. Folgerichtig verlässt Cat Stevens bei diesem Song die Bühne und lässt seine Playback-Stimme live von der Band begleiten. Das hatte schon was leise Aufmüpfiges, von stillem Protest. Natürlich präsentiert er Songs aus seinen aktuellen Scheiben „Another Cup“ (2006) und von „Roadsinger“ (2009), aber er weiß auch, dass wir alle vor ihm sitzen und auf die großen Hits der 1970er Alben warten. Die baut er dramaturgisch geschickt immer Mal wieder als perfekte Überraschungen ein, um dann die großen Hymnen aus seinem Cat Stevens - Gesangsbuch zum Mitsingen zu präsentieren. „Morning Has Brocken (Like The First Morning)“ singt er zu spartanischer Bandbegleitung und bei „Wild World“ singt und tobt das Auditorium von über 10.000 Kehlen mit Begeisterung mit. Ich sitze einfach nur da, spüre die Worte, die der Kloß im Hals nicht rauslassen will und die Assoziationen in meinem Kopf schlagen Purzelbaum. Da vorn im Kegel der Scheinwerfer, vor denen sich tausende von Händen in die Luft strecken, sehen wir einen glücklichen Mann, der mit sich im Reinen, seiner Musik verbunden und seinen Fans eins ist. Der Kessel brodelt und gibt erst wieder Ruhe, als der Star mit seinen Musikern seine Zugaben präsentiert. Wir lauschen noch einmal der faszinierenden Stimme, die „Moonshadow“ (Mondschatten) singt und uns das neue emotionale Kleinod „My People“, ein Song zur Unterstützung der Demokratiebewegung in den Arabischen Ländern, beschert, um zum Abschluss endlich den „Peace Train“ auf die Reise zu schicken. Auf diese großen Momente der Gefühle haben wir alle gewartet und wir haben sie alle bekommen, wenngleich sicher nicht eines jeden ganz persönlicher Favorit dabei war. Das Toben, die Pfiffe und die Begeisterung in der Riesenhalle kennen keine Grenzen und erst nachdem „All Kinds Of Rose“ (Alle Arten von Rosen), solo von ihm vorgetragen, verklungen ist, findet die Zeitreise ein unwiderrufliches Ende. Draußen hat der Regen inzwischen die Nacht kühler gemacht und der „Mondschatten“ ist durch die vom Wind zerzausten Wolken nicht zu sehen. Na und? Mir ist warm um’s Herz, bin aufgeladen und voller Spannung. Wir alle tragen nach diesem Konzert symbolisch all die „verschiedenen Arten von Rosen“ in die entlegenen Ecken und Winkel dieses kleinen Landes, wo sie vielleicht auch ein wenig Hoffnung keimen lassen: “All kinds of roses grow in my garden all kinds of creatures run on my land all kinds of children play in the yard so many feelings flow through my blood” Für das Ticket zum legendären Konzert von Pink Floyd im August 1994 auf dem Berliner Maifeld hatte ich damals 62,00 Deutsche Mark auf den Tisch geblättert. Ganze 15 Jahre später kostet mich die Karte für ein Konzert bei Yusuf, der Lieder von Cat Stevens sang, satte 85,00 Euronen. Ich schenke mir jetzt die aufkeimende Aufrechnung und genieße das Glück, einen ganz Großen erlebt und einen einmaligen Moment durchlebt zu haben. So ein Märchenerzähler kann wahrhafte Wunder bewirken, mich wieder aufrichten und mit einem Lächeln in das Leben der nächsten Tage entlassen. So gesehen, waren die 85,00 Euronen eine lohnende Investition für mich und alle, die auch beim Yusuf waren und begeistert Cat Stevens erleben durften. Das kann uns niemand mehr nehmen!