John Cage Projekt – Raum, Klang, Zeit in Halberstadt
30.05.2015
Er
war
wohl
einer
der
herausragenden
und
prägenden
Künstler
des
vergangenen
Jahrhunderts:
JOHN
CAGE,
der
amerikanische
Komponist,
Musiker
und
Philosoph.
Vielleicht
ist
er
der
Einzige,
dessen
Ruhm
und
Nachwirken
schon
heute
fest
eingeplant
ist.
Mindestens
bis
zum
4.
September
des
Jahre
2640
ist
gesichert,
dass
man
sich
seiner
erinnern
und
über
ihn reden wird. So oder so.
CAGE
hat
geschafft,
wovon
viele
nur
träumen,
denn
mit
seinem
Werk
ist
er
über
beinahe
alle
Grenzen
von
moderner
Kunst
und
Musik
hinaus
bekannt
geworden.
Irgendwann
in
den
1960ern
fiel
sein
Name
in
Zusammenhang
mit
den
Happenings.
Ich
wusste
weder
was
ein
Happening
sein
könnte,
noch
wer
JOHN
CAGE
ist,
aber
es
tat
mir
gut,
mitzureden.
Wer
kam
damals
schon
auf
die
abwegige
Idee,
Maler,
Tänzer,
Musiker
und
Dichter
gemeinsam
und
ohne
vorprogrammierte
Idee
agieren
zu
lassen
oder
gar
Stille
als
Klang
zu
definieren?
Die
Zauberworte
hießen
Avantgarde
und
Interaktion,
doch
das
begriff
ich
erst
viel
später,
als
auch
die
Rockmusik
sich
weit
öffnete
und
ihre
interessierten
Hörer
mit
auf
die
Entdeckungsreise
in
neue
unbekannte
Gefilde
nahm.
Heute
fast
undenkbar,
doch
damals
war
das
Kult
und
beinahe
ein
Muss, solche Alben wie „Bitches Brew“ (1970) von Miles Davis oder „Illuminations“ (1974) von Carlos Santana zu kennen.
In
der
kleinen
Sankt-Buchardi-Kirche
zu
Halberstadt
spielt
die
Orgel
seit
dem
5.
September
2001
sein
Werk
„Organ2/ASLAP“.
Die
Buchstabenkombination
„ASLSP“
steht
für
„as
slow
as
possible“,
also
„so
langsam
wie
möglich”.
In
dem
alten
Gemäuer
wird
diese
Anweisung
des
Komponisten
quasi
wörtlich
genommen.
Hier
ist
die
Interpretation
dieser
Komposition
von
JOHN
CAGE
auf
so
viele
Jahre
angelegt,
wie
die
erste
Orgel
der
Kirche
damals
alt
war:
639
Jahre.
Der
letzte
Ton
des
Werkes
wird
also
erst
im
Jahre
2640
verklungen
sein
und
die
extra
dafür
konstruierte
Orgel
wird
mit
jedem
neuen
Ton
Stück
um
Stück
wachsen.
Erst
im
Laufe
der
Jahrhunderte
werden
alle
für
das
Stück
benötigten
Pfeifen
hinzu
gekommen
sein
und
das
Instrument
komplettieren.
Damit
ist
es
das
am
längsten
gespielte
Musikstück
der
Musikgeschichte
und
außerdem
ein
Klang,
der
Zeit
für
Besucher
und
Hörer
fühlbar
werden
lässt.
Es
ist
darüber
hinaus
das
am
längsten
andauernde interaktive Kunstprojekt, das weit über die Grenzen von Musik wirkt.
Das
ausgedehnte
Areal
des
ehemaligen
Klosters
betritt
man
durch
einen
Torbogen,
der
noch
Original
erhalten
ist.
Die
alte
Klosterkirche
Sankt
Buchardi
habe
ich,
als
ich
das
erste
Mal
hier
war,
wirklich
erst
mit
dem
zweiten
Blick
wahrgenommen,
so
weit
kann
das
Auge
durch
das
Rund
schweifen.
Dass
genau
hier
Musikgeschichte
geschehen
könnte,
auf
diese
Idee
kommt
man
von
selbst
nicht.
Eher
meint
man,
sich
in
den
Hinterhof
der
Stadt
verirrt
zu
haben.
Die
auffälligen
Schmuckstücke
von
Halberstadt
muss
man
an
anderen
Plätzen
suchen.
Wer
von
JOHN
CAGE
nichts
weiß,
ist
eher
hier,
um
ein
gebrauchtes
Möbelstück
zu
erstehen
oder
die
Malteser
um
ihre
Unterstützung
zu
bitten.
Eingerahmt
von
sehr
alten
Häusern,
wachsen
einige
mächtige
Bäume
auf
dem
Gelände.
Einer
von
ihnen
gar
vor
dem
Gotteshaus.
Dessen
Mauern
haben,
für
den
ungeübten
Beobachter,
so
rein
gar
nichts,
was
an
eine
Kirche
erinnert.
Vielleicht
ist
es
der
fehlende
Kirchturm,
der
den
Eindruck
unvollständig
erscheinen
lässt.
Doch
dieser
Eindruck
täuscht
und
wenn
man
erst
direkt
davor
steht, spürt man das Mächtige und Erhabene, das diese ergrauten Steine an Geschichte verbergen könnten.
Die
schwere
Holztür
ist
leicht
zu
öffnen
und
zwei
bis
drei
Schritte
weiter
stehe
ich
in
einem
gewaltigen
Raum
von
schlichter
Größe.
In
diesem
Moment
spüre
ich
jene
Worte
tatsächlich:
„Tritt
ein
in
deinen
staubigen
Schuh’n
….
riesig
wird
jede
Pupille
….
hier
atmet
man
Größe
….
zähl’
in
Jahrhunderten
die
Zeiten
…
tritt’
ein
in
den
Dom.“
(Electra,
1972).
Mich
empfängt
das
etwas
andere,
weil
viel
einfachere,
Kircheninnere.
Erhabenheit
pur.
Alles,
was
den
Gedanken
zunächst
hinderlich
sein
könnte,
findet
man
hier
nicht.
Keinen
Prunk,
keine
Bankreihen,
keine
Schnitzereien,
auch
keinen
Altar,
einfach
nichts.
Ich
fühle
die
„abgeschüttelten
Hastigkeiten“
und
dann
höre
ich
tatsächlich
jenen
Klang,
der
hier
alles
ausfüllt.
Erst
jetzt
beginne
ich
zaghaft
meine
Entdeckungsreise.
Vor
mir
ein
Kreuzgang
mit
hohem
Gewölbe.
Im
einfallenden
Tageslicht
wirkt
der
Raum
auf
mich
eigenartig
entrückt.
Den
anderen
Besuchern
scheint
es
ähnlich
zu
ergehen,
beinahe
jeder
bewegt
sich
zaghaft
für
sich
ganz
allein.
An
den
Wänden
fallen
mir
in
Reihe
angeordnete
Tafeln
auf.
Ich
trete
näher
heran
und
kann
auf
jeder
der
Tafeln
eine
andere
Jahreszahl
erkennen,
auf
einigen
einen
Spruch,
auf
anderen
Zitate,
manchmal
nur
ein
Wort
und
ganz
unten
Namensdaten.
Dieses
Tafelband
zieht
sich
durch
den
gesamten
Raum
an
den
Wänden
entlang.
Manchmal
hängen
Tafeln
nebeneinander,
dann
wieder
große
und
kleine
Zwischenräume
und,
hier
und
da,
auch
einmal
eine
dieser
Tafeln
ganz
allein.
So
etwas
habe
ich
bisher
noch
nirgendwo
gesehen
und
die
Frage,
welche
Idee
oder welches Anliegen sich dahinter verbirgt, drängelt sich förmlich auf.
Ich
habe
es
mir
erklären
lassen
und
jeder,
der
es
auch
verstehen
möchte,
sollte
irgendwann
in
seinem
Leben
auch
hier
sein.
Also
folge
ich
dem
Tafelband
in
den
Raum
hinein,
lasse
mich
ziehen
und
gleiten,
lasse
den
Raum
und
den
Klang
darin,
der
an
jeder
Stelle
ein
wenig
anders
mein
Ohr
erreicht,
auf
mich
wirken.
Mir
ist
wie
auf
einer
Kurzreise
durch
die
Zeit,
die
mich,
aus
meiner
Vergangenheit
kommend,
weiter,
Schritt
für
Schritt
und
Tafel
für
Tafel,
in
eine
unbekannte
Zukunft
führt.
Beinahe
ist
es,
wie
die
Zeit
fühlen
zu
können
und
von
ihr
Botschaften
zu
erhalten.
Eine
von
ihnen
lautet:
„Bleib!“
Wie
eine
Botschaft von später – bleib! Ich stehe davor und meine, die gewaltige Dimension des Wortes fassen zu können.
Erst
später
wird
mir
klar,
dass
ich
den
gekreuzten
Kirchenraum
im
Uhrzeigersinn
durchschritten
habe.
Am
Ende
aller
Schritte
und
Erfahrungen
stehe
ich
schließlich
vor
dem
eigentlichen
Orgelprojekt,
habe
mir,
wie
bei
einem
besonders
schmackhaften
Essen,
das
Beste
bis
zum
Schluss
aufgehoben.
Auf
ein
minimalistisches
Holzgestell
sind
fünf
Orgelpfeifen
montiert,
alle,
die
bisher
einen
Ton
erzeugt
haben
und
die
drei,
die
gerade
mit
ihrem
Klang
den
Raum
ausfüllen.
Da
stehe
ich
vor
diesem
Wunderding
und
versuche
mir
klar
zu
machen,
dass
ich
gerade
Musik,
sprich
Klang,
höre.
Nada
Brahma
–
die
Welt
ist
Klang,
hat
sich
ein
mir
gut
bekannter
Musiker
zum
Lebensmotto
auserkoren.
Mehr
als
600
Jahre
später
werden
andere
Menschen,
so
wie
ich
jetzt
gerade,
hier
stehen
und
einen
anderen
Klang
hören,
wenn
wir
uns
bis
dahin
nicht
selbst
ad absurdum geführt haben sollten.
Es
ist
schon
lange
meine
tiefe
Überzeugung,
dass
man
moderne
kreative
Rockmusik
in
ihrer
Ästhetik
nur
dann
richtig
begreifen
kann,
wenn
man
sie
in
Bezug
zu
dem
stellt,
was
andere
kreative
Musiker
in
anderen
Zeiten,
vielleicht
auch
außergewöhnliches
oder
gar
provokantes,
geschaffen
haben.
Also
auch
zur
Klassik,
Sinfonik
und
zur
Moderne,
wie
Stockhausen
oder
eben
JOHN
CAGE.
Dies
ist
ein
Grund
für
mein
großes
Interesse
an
allem,
was
man
als
Querverbindungen
zur
Rockmusik
erkennen
könnte.
Wie
sonst
sollte
man
ein
Album
wie
„Ceremony“
(1970)
von
Spooky
Tooth
richtig
einordnen und begreifen können.
Doch
warum
eine
Hommage
an
JOHN
CAGE
in
Halberstadt
und
warum
gerade
hier
auf
diesem
Platz?
Die
Antwort
ist
so
simple
wie
erstaunlich.
Weil
in
Halberstadt
die
erste
Großorgel
der
Welt
mit
einer
Zwölf-Ton-Klaviatur
im
Jahre
1361
gebaut
wurde.
Die
Wiege
unserer
modernen
Musik
stand
also
hier
und
das
Instrument,
dessen
Klaviatur
als
Vorlage
für
die
heutigen
Tasteninstrumente
gilt,
im
Dom.
Genau
639
Jahre
später,
nämlich
im
Jahr
2000,
soll
das
Stück
„Organ2/ASLOP“
von
JOHN
CAGE
in
der
Kirche
St.
Buchardi,
eine
der
ältesten
Kirchen
von
Halberstadt,
erstmals
aufgeführt
werden
und
zwar
„so
langsam
wie
möglich“.
Das
Endresultat
aller
Mühen
wird
musikinteressierte
Menschen
noch
bis
in
das
Jahr
2640
hinein
bewegen,
erstaunen
und
in
Atem
halten,
falls
…
ja
falls
wir
uns,
unter
welchen
Klängen
dann
auch
immer,
nicht
doch
selbst
ad
absurdum
führen
werden.
Auch
das
will
uns
dieses
„as
slow
as
possible“
vielleicht
mit
auf
den
eigenen
Weg
geben.
Vielleicht
aber
sollten
sich
an
diesem
ganz
besonderen
Ort
einmal
Obama,
Merkel,
Putin
&
Co.
treffen,
um
„so
schnell
wie
möglich“
einmal
ernsthaft
über
sich
nachzudenken,
damit
auch
Generationen
nach
uns
etwas
von
„as
slow
as
possible“
haben,
sich
als
Erkenntnis
mitnehmen
können
und
vielleicht
einer
unter
ihnen
ist,
der
die
zeit
auf
eine
andere
Weise überlistet.