Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
5. Rocknacht in Mittweida – Cäsar & Hans „Die Geige“ 26.05.2007 An diesem heißen Tag im Mai stehen zwei Musiker auf der Bühne, die sich kennen, aber wohl sie noch nie ein gemeinsames Konzert bestritten haben: CÄSAR Peter Gläser, schon zu Lebzeiten eine Legende, und Hans „DIE GEIGE“ Wintoch, der beliebte Rockgeiger. Die Kulturverantwortlichen von Mittweida hatten diese Begegnung eingefädelt. Anlässlich der nunmehr schon 5. Rocknacht Mittweida stehen sie beide, wenn auch nacheinander, auf der Bühne und wie sich noch zeigen wird, für einen besonderen Anlass endlich auch gemeinsam. Der Saal der altehrwürdigen Fichte-Schule füllt sich zunächst nur sehr zögerlich und angesichts von Tischen und langen Bänken kann ich mir nur schwerlich ein Rockereignis vorstellen. Alles wirkt ein wenig steif, steril und wohl geordnet. Für Augenblicke meine ich mich tatsächlich in eine Turnhalle verirrt zu haben. Hans „DIE GEIGE“ Wintoch scheint das jedoch wenig zu beeindrucken. Der Mann packt seine Geige an jedem noch so skurril anmutenden Ort aus, wenn die Fans auch da sind und so eröffnet er den Abend in souveräner und beeindruckender Manier. Da kann man schon mal ein staunendes Gesicht sehen im Publikum, das ich selbst eher nicht als an Rockmusik orientiert definieren würde. Aber was bedeuten Äußerlichkeiten, wenn der Mann mit dem ellenlange Haar seiner Geige himmlische Töne, wie das „Ave Maria“ und rockige Melodiebögen gleichermaßen entlocken kann. Er begeistert zudem mit einer sehr überzeugenden Version des Michaelis’ Klassikers „Als ich fort ging“, der inzwischen Kultstatus erreicht hat. Dieses Pendeln zwischen klassischen Anleihen im Geigespiel und ausgewählten Rock-Nummern, macht auch den eigentlichen Reiz seiner Darbietung aus, zumal er auch stets auf seine Rock-Wurzeln verweist, wenn Sachen wie „Dust In The Wind“ von Kansas angestimmt werden. Viel zu schnell ist dieser erste Teil vorüber. Von mir aus hätte der Rockgeiger gern noch etwas länger mit seinem Bogen wirbeln dürfen. Es gibt nur eine kurze Umbaupause, gerade mal ausreichend, um ein kühles Pilsner in schwülwarmer Luft durch die Kehle zu schütten. Wenige Minuten später stehen CASÄR & Die Spieler auf der Bühne. Dieser Mann am Mikrofon ist nichts weniger als personifizierte Rock-Geschichte, einer, der bereits fast alle Höhen durchlebt hat und manche Tiefe durchleiden musste. Mit seinen wechselnden Spielern geht er seit Jahren unverwechselbar eigene Wege. Davon gibt es an diesem Abend einige Kostproben auf unsere Ohren, denn CÄSAR schickt einen Knaller nach dem anderen ins Publikum: „Geht es dir gut“, „Hello Mister Biedermann“, „Halleluja“ und als der ehemalige Renftler noch die damaligen „Volkslieder“ aus eigener Feder, nur eben in aktualisierte Versionen, spielt, hält es keinen mehr auf den Sitzplätzen. Da stehen wir vor der Bühne und singen den „Apfeltraum“ und „Wer die Rose ehrt“ aus den fernen Jugendjahren textsicher mit. Der eigentliche Höhepunkt des Abends jedoch kommt mit leisen Tönen daher. CÄSAR bittet seinen Musikerkollegen Hans „DIE GEIGE“ auf die Bühne und erinnert mit dem Rockgeiger gemeinsam an den erst kürzlich verunglückten Renft-Gitarristen Heinz Prüfer. Diese Version von „Tears In Heaven“, nur von Violine und Akustikgitarre begleitet, ist für mich der filigrane zerbrechliche Höhepunkt eines Abends, der so wahrscheinlich nicht wieder stattfinden wird. Clapton schrieb diesen Song für seinen ebenfalls tödlich verunglückten Sohn und die beiden Musiker, mit Wurzeln in der DDR, schicken auf diese persönliche Weise, gemeinsam mit ihrem Publikum, einen letzten Gruß in den Rockerhimmel. Einen Moment ist es still im Saal, ehe sich die Anspannung in tosendem Applaus entladen kann. Am Ende und nach einigen Zugaben ist es eine lange 5. Rocknacht in Mittweida geworden. Wir sind alle durchgeschwitzt, aber tragen auch ein Lächeln in unseren Gesichtern. Wenn CÄSAR seine Lieder singt, ist es für viele ohnehin ein besonderer Genuss, ihm zuzuhören und wenn diese Stunde noch von zwei Ikonen ostdeutscher Prägung im gemeinsamen Spiel veredelt wird, kann man eine der seltenen wahren Sternstunden erleben. So geschehen in Mittweida bis kurz vor Mitternacht und ich war dabei.