Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Fermata – „Blumental Blues“ (Oktober 2019, Pavian Records, Bratislava, Slovakia) 20.11.2019 1. Booze Night (4:15) 2. Ladies of Avion (4:11) 3. Blumental Blues (5:01) 4. The Pigeons Of St. Florian (4:49) 5. The Last Dance At The „Firsnal“ Place (3:57) 6. The Copper Cock (4:26) 7. Hommage A Marian (1:22) 8. Stupid Morning (4:56) 9. The Breakfast At The Stein (4:54) 10. First Morning Train (6:02) Gesamtspielzeit: 43:53 Seit nunmehr fast fünf Jahrzehnten, gegründet im Jahr 1973 von Frantisek Griglak (git) sowie Thomas Berka (keyb), steht FERMATA auf den Bühnen in ihrer Heimat. Nun fügt eine der wohl markantesten Rockbands der heutigen Slowakei ihrer außergewöhnlichen Bandkarriere ein weiteres eindruckvolles Kapitel, in Form des neuen Albums „Blumental Blues“, hinzu. Nach vierzehn Jahren Pause erschien im Oktober dieses Jahres ihr nunmehr 13. Album, quasi als Hinweis, dass die beiden Bandgründer wieder schöpferisch miteinander musizieren können. Eine der innovativsten und markantesten Rock-Bands, außerhalb des westlichen Rock-Universums, ist endlich wieder in das Rampenlicht der slowakischen Öffentlichkeit gerückt. Die Fans außerhalb der Landesgrenzen bekommen davon nichts mit, die Fans zu Hause haben das Präsentationskonzert der neuen Scheibe in Bratislava besucht und sie haben die Chance auf weitere Konzerte der Tour durch die Slowakei. Das ist gut zu wissen, aber durchaus auch bedrückend, weil hierzulande, im Gegensatz zu einst, kaum ein ehemaliger Fan davon weiß. Um die Platte der Slowaken zu bekommen, muss man schon einfallsreich sein und außerdem ein wenig Glück haben. Von einer gesamteuropäischen Kultur- und Kunstwahrnehmung sind wir inzwischen Lichtjahre weiter entfernt, als in Vorwendezeiten und Gastspiele hierzulande sind kaum vorstellbar. Wie schade! Das neue Album interpretiert musikalisch das Buch „Blumental Blues“ von Tomas Berka aus dem Jahre 2010, in dem Berka noch einmal seine Kindheits- und Jugendjahre in Avion aufleben lässt. Nach einem Gedenkkonzert für den verstorbenen Bassisten Fedor Freso, am 6. Januar 2019, trafen sich die beiden Gründer von FERMATA im Studio von Griglak, um ihre Vorstellungen vom gemeinsamen Albumprojekt, ohne zeitliche Einschränkungen, zu verwirklichen. Das Ergebnis ist ein zeitgemäßes Rock-Album voller frischer Ideen und instrumentaler Finessen, wie die zehn Instrumentalstücke eindrucksvoll belegen. Sie beschreiben ausgewählte Orte und das Zeitgefühl einiger Passagen des Buches, die mit der Musik nachempfunden und musikalisch interpretiert werden. Dabei lassen die beiden Komponisten Griglak und Berka, sowie zusätzlich Maxo Miklos, den Tönen und Klangfolgen oft freien Lauf, ganz wie es die Fermaten in der Notenschrift, aus denen der Bandname FERMATA hergeleitet wurde, ermöglichen, nur eben im rock-musikalischen Kontext und wie im Jazz, dem freien Spiel mehr Raum überlassend. Gleich zu Beginn erlebt der Hörer des Albums eine „Schnapsnacht“ („Booze Night“) auf groovenden Rhythmen. Die vom Blues inspirierten Gitarrenläufe verzaubern mit lockeren Improvisationen, die sich letztlich im Sound der Tasten zu einem magischen Tanz vereinen. Diese Atmosphäre geleitet von nun an, in verschiedenen Nuancen und mit unterschiedlichen Ansätzen, einem inhaltlichen Konzept gleich, durch das ganze Album. Das sich anschließende „Ladies Of The Avion“ begeistert mit leicht verspielten Latino-Rhyhmen und dem zarten Hauch von lockerem Smooth-Jazz über einer sich wiederholenden Akkordfolge. Eine zarte Prise Folk ergänzt diese Melange. Der sich anschließende Titeltrack „Blumental Blues“ überzeugt mit genau dem, was der Hörer erwartet, nämlich einer breit gefächerten Stimmung in Blues, die von einem akustischen Mittelteil unterbrochen wird. In den darauf folgenden Stücken „The Pigeons Of St. Florian“ und „Last Dance On The Firsnal Place“ erleben wir, wie sich aus klassisch inspirierten Themen allmählich komplexe Musikstücke entwickeln. Gitarre und Tasten verweben sich miteinander und flechten opulente Soundgewänder. Diese gleichen einer Mini-Sinfonie, die mit folkloristischen Elementen und Zwischenspielen angereicht ist, während bei „The Cooper Cock“ der blanke Fusions-Jazz-Rock mit wundervoll vertrackten Rhythmen den Hörer verwöhnt. Als ein Moment der Ruhe folgt mit „Hommage A Marian“ ein ganz besonderes Intermezzo am Piano, mit dem uns FERMATA ganz offensichtlich an den großen Marian Varga erinnern möchte. Die nur 1:22 Minuten komprimieren einen Teil slowakischer Rock-Geschichte und schenken dem Fan eine Menge Erinnerungen. „Stupid Morning“ läutet mit leisem Glockenspiel, mystischem Gesang und besinnlichem Piano-Spiel das Finale des Albums ein. Nach einer reichlichen Minute dominiert wieder kräftiger Blues den Sound und es scheint, als würden die Gitarrensaiten mit den Tasten tanzen wollen. Diese Stimmung wird auch in „The Breakfast At Stein“ übernommen. Da geht sie in ein robustes, vom Folk inspiriertes Gitarrensolo über. Den Abschluss bildet die „First Morning Tram“. Hier demonstrieren die beiden Protagonisten mit den Tasten und der Gitarre sehr dynamisch, aber auch verspielt, ihre herausragende Meisterschaft auf ihren jeweiligen Instrumenten als abschließenden Höhepunkt der musikalischen Zeitreise. Ohne jeden Zweifel musizieren auf diesem Album zwei Ausnahmevirtuosen miteinander, die mit einer exzellenten Band im Studio - Maxo Miklos als zweiter Keyboarder, Tamas Belicza am Bass sowie Teo Skovay an den Drums - eine brodelnde Mixtur aus Rock, Jazz, Blues sowie heimischen Folk-Einflüssen auf höchstem spielerisch-technischem Niveau servieren. Dabei spielen sich Griglak und Berka ihre teils grandiosen Einfälle für extravagante solistische Ausflüge zu und erhalten dennoch die Schwelle zum Mithören bewusst niedrig. Der Sound ist durchweg druckvoll und transparent, so dass man sich dem lockenden Einfluss der Musik genießerisch hingeben oder sich Feinheiten wie Rosinen herauspicken kann. Dieser extravaganten Musik kann man sich völlig entspannt hingeben und bei jedem weiteren Durchlauf wieder andere filigrane Details und Raffinessen entdecken. Dem verwöhnten Liebhaber von Fusionsmusik zwischen Rock, Blues, Jazz und Folk wird ein wundervolles Album geschenkt, das er mit viel Genuss und Ruhe zu Hause hören sollte, denn als Hörer ist man mittendrin und entspannt in das Geschehen eingebunden. Es ist lange her, dass bei mir aus einem reinem Reinhören ein kompletter Durchlauf geworden ist, so intensiv habe ich mich in eine vergangene, anspruchvollere Musikepoche versetzt gefühlt. Einfach wundervoll! Die Covergestaltung zeigt Griglak und Berka als eine mosaikartige Fotocollage, ähnlich wie man es von alten Fenstern in historischen Kirchen kennt. Das Vinyl steckt in einem Klappcover mit allen wichtigen Informationen auf der Rückseite. Im Innern findet man ein Großfoto von Griglak und Berka mit Texten in slowakischer und englischer Sprache, die das Verstehen erleichtern. Ähnlich anspruchsvoll ist die CD gestaltet, die in einer klappbaren Verpackung steckt. Klare Kaufempfehlung für jeden mit den etwas anderen Hörgewohnheiten, wobei „kaufen“ in diesem Fall eher irreführend verstanden werden könnte. Lasst Euch also etwas einfallen, um an CD oder Vinyl zu gelangen! P.S.: Als ich eher zufällig vom Erscheinen des neuen Albums erfuhr, wusste ich, das will ich haben. Allerdings hatte ich mir dessen Beschaffung etwas leichter vorgestellt. Ein Bekannter hatte schließlich den richtigen Riecher. Ohne ihn hätte ich wohl auf die Scheibe verzichten müssen und diese Zeilen nicht geschrieben. Dankeschön nach Berlin.