Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
In einem großen Land – mit Big Country live in der Tante Ju 23.05.2013 Die schottische Band BIG COUNTRY wurde Anfang der 1980er Jahre, mitten in die Punk Bewegung hinein, gegründet. So ordnete man sie auch ein, doch eigentlich machte die Band weiter nichts, als deftigen Rock, den ebenso deftig und unkompliziert mit Folk zu verband.. Viele Melodien ihrer Lieder folgen schottischen Traditionen, kopieren deren Stilistik und nur der Rhythmus folgt zeitgemäßen Strukturen. Damit waren Big Country den Simple Minds und U2 näher, als der Masse all jener, die zu Beginn der 1980er Jahre in England „neue Welle“ waren. Als ihr Debut-Album „The Crossing erschien, hatten die Musiker einen neuen Fan und ich diese Scheibe auf dem Plattenteller. Rund dreißig Jahre nach dem erscheinen von „The Crossing“ mit dem legendäre „Field Of Fire“ stehe ich an der Rampe in der Tante Ju und warte auf ein Konzert. Inzwischen ist von der Originalband nur noch die Hälfte am Start. Bandgründer und Sänger Stuart Adamson schied 2001 freiwillig aus dem Leben und Tony Butler, der langjährige Bassist, zog sich im vergangenen Jahr aus dem Musikzirkus zurück. Von Beginn an dabei ist noch immer Bruce Watson und hinter dem Schlagzeug noch immer Mark Brzezicki, einer der wohl besten Drummer Englands, der sein Können auch schon für Procol Harum oder Roger Daltrey zur Verfügung stellte. Es ist von Beginn an der erwartete Orkan, der lautstark, heftig und ungeschminkt von der Bühne der Tante Ju dröhnt, wie aus den schottischen Highlands. Kein Zweifel, BIG COUNTRY und ihr typischer Gitarrensound sind wieder da und um das zu zeigen, begannen sie geschickt symbolisch mit „Return“ (Rückkehr) von ihrem neuen Album. Bei diesem Gitarrengewitter ist kein Unterschied zu den früheren Songs wie „Thousand Stars“ oder „Harvest Home“ zu hören, die sie anschließend zum Besten geben. Mittelpunkt der Show ist der Sänger MIKE PETERS, der es gut versteht, den älteren Stücken Leben einzuhauchen und so, völlig ohne Pathos, auch an seinen Vorgänger am Mikrofon erinnert. Seine Stimme hat das gleiche Timbre und der Mann lebt jede Note mit seinem ganzen Körper vor dem Mikrofon aus. Um den Hals hängt seine Gitarre, auf die er, deutlich lesbar, „Dresden“ gekritzelt hat. Dem Mann an der Lead-Gitarre, BRUCE WATSON, ist jede solistische Einlage ein Grund, quer über die Bühne zu tanzen oder seine Bandkollegen mit kleinen Späßen und Posen zu locken. Mal steht er an der Seite seines Sohne JAMIE, mal wieder geht er zum Schottenrock tragenden Mann am Bass, um dann wieder ein Blick zum Schlagzeug hin zu schicken. Dem alten Haudegen sieht man die Freude am Spiel mit der Band in jedem Moment an. Von der neuen Scheibe bekommen wir den Titelsong „The Journey“ zu hören und das etwas ruhiger gehaltene Stück „Hurt“, ehe es mit „Look Away, Look Away“ aus früheren Jahren wieder richtig von der Rampe donnert, damit der Chor der Anwesenden den Refrain laut mitsingen kann. Die Band ist jetzt voll in Fahrt. Ein guter Zeitpunkt für eine knallende Solo-Einlage mit dem Bass. DEREK FORBES stellt sich dafür vorn an die Kante und dann singen die vier Saiten ihr eigenes Ständchen, getrieben von seinen flinken Fingern, währen wir davor stehen, staunen und toben. Das schnelle Tempo des Bassisten übernimmt die Band, um ein weiteres neues Stück, „Home Of The Brave“, vorzustellen. BIG COUNTRY scheint mir in bester Spiellaune zu sein, obgleich das vor diesem kleinen Häufchen begeisterter Fans, die genug Platz zum Toben haben, nicht unbedingt zu erwarten ist. Trotzdem, in seiner Spiellaune lässt BRUCE WATSON schon auch mal seine Gitarrensaiten am Mikrofonständer entlang gleiten. Auf dem absoluten Höhepunkt der Auswahl neuer und älterer Stücke gibt es dann endlich das ersehnte „Fields Of Fire“ und beinahe scheint es, als wäre ADAMSON irgendwie mit auf der Bühne. Irgendwann hält es den Frontmann nicht mehr auf diesen Brettern. Er steigt über die Treppe nach unten und versucht, gemeinsam mit seinen Fans es sind einige Schotten anwesend im Chor zu singen und mit ihnen, bei „Lost Patrol“, Spaß zu haben: „Yeah, Yah Yeah, Yha Hoo One, Two, Three, Four - we saved our souls, we broke our promises.“ Da sind die meisten vorn an der Rampe völlig aus dem Häuschen, sie singen und tanzen mit denen da oben mit, während die Gitarre über dem Chorgesang ihr Solo spielt. Mike ist mitten unter seinen Fans und inmitten der Fans ein kleines Mädchen, das sogar mit an seiner Gitarre spielen darf. Mit „Hail And Farewell“ wird es ruhig, beinahe besinnlich. Der Abschied wird eingeleitet. Eine schöne balladeske Nummer, bei der BRUCE seine Gitarre noch einmal ausgiebig singen lassen kann, ehe dann der endgültige Abschied mit „In A Big Country“ eingeleitet ist. In die letzten Akkorde hinein holt MIKE PETERS das kleines Mädchen zu sich hoch auf die Bühne. Für ein gemeinsames Gruppenfoto stehen und hocken dann die Herren mit der Kleinen auf der Bühne, ehe sich dann jeder der Musiker einzeln von den, mitunter sehr weit angereisten Fans, verabschiedet. Schön, heftig und dynamisch war der Abend und außerdem gut geeignet, mal all den irdischen Unsinn aus der Birne zu blasen. Danach ergibt sich für mich die Gelegenheit, mit zwei der angereisten Schotten über Rock’n’Roll, Big Country und Simple Minds ein wenig mehr zu reden, denn die Zeit nach dem Konzert zieht sich, aber ein kleines Stück Vinyl von mir braucht unbedingt die Unterschrift von MARK BRZEZICKI. Der Mann hat bei vielen Studioaufnahmen mitgewirkt und ungezählte Projekten und Platten mit seinem Spiel veredelt. Zwei davon, Procol Harum’s „Prodigal Stranger“ und Roger Daltrey’s „Under A Raging Moon“, trage ich am frühen Morgen nach Hause, um sie signiert, wie die ebenfalls signierte LP von BIG COUNTRY, wieder in das Regal zu stellen. Das musste einfach sein, wenn einer aus einem ehemals „Broken Promise Land“, ein BIG COUNTRY besuchen kann und dort auch noch so viel Spaß mit sattem Rock’n’Roll, gewürzt mit schottischem Folk hatte. Ich hatte eine Sternstunde inm der alten Tante Ju.