Zwischen
T
raumzeit - BAYON auf Gut Geisendorf
23.05.09
Die
Lausitz
ist
das
Land
der
Tagebaue
und
der
Tagebaurestlöcher.
Die
sind
meist
riesengroß,
voller
Dreck
und
Sand,
unansehnlich.
Aber
dies
ist
auch
das
Land
der
immer
größer
werdenden
Seen
und
der
grünen
Flecken
darum
und
dazwischen.
Dort,
wo
über
Tage
gebaggert
wird,
ist
die
Landschaft
besonders
weit,
der
Horizont
besonders
fern
und
mittendrin
im
Nichts,
in
dieser
Wunde
in
der
Haut
der
Natur,
steht
so
ein
gefräßiger
Stahlkoloß,
ein
gigantischer
Abraumbagger.
Für
Bruchteile
von
Momenten
in
der
fast
zeitlosen
Erdgeschichte
hat
dieses
Ungetüm
aus
Stahl
das
kleine
Welzow
erreicht,
steht
vor
Gut
Geisendorf,
ragt
60
Meter
über
die
dünne
Haut
der
Erde
hinaus
und
drückt
mit
seinen
9000
Tonnen
auf
sie.
Im
gleißenden Sonnenlicht stehe ich vor diesem Gigant, der diesen besonderen Moment, diese
„Zwischen
T
raumzeit“
,
in
der
sich
Bergbautechnik
und
historische
Architektur,
Sinnbilder
für
Kraft,
Schönheit,
Technik,
Arbeit
und
Kunst,
gegenüber
stehen,
für
einen
Hauch
der
Ewigkeit
dort
wie
festnagelt.
Vor
dieser
Kulisse
erscheint
die
große
Bühne
klein,
ja
winzig
und
über
die
Weite
des
Tagebaus
gesehen,
kann
man
sie
kaum
erkennen.
Am
anderen
Ende
ragen
die
Kühltürme
von
Boxberg
mit ihren weißen Dampfzipfelmützen aus dem Horizont.
Die
filigrane
und
multikulturelle
Musik
von
BAYON
scheint
wie
geschaffen,
diese
„ZwischenTraumzeit“,
den
„Moment
der
Besinnung“
auszufüllen.
Mit
ihrer
einzigartigen
Melange
von
Klängen
einer
klassisch
gespielten
Gitarre
und
einem
Cello,
dessen
groovenden
und
singenden
Melodiebögen
über
einem
Rhythmusteppich
zu
schweben
scheinen,
füllt
BAYON
das
weite Areal aus.
Die
Performance
aus
Metall,
Musik
und
Licht
beginnt
mit
dem
1.
Satz
der
„Suite
V“
(Thema)
und
noch
ehe
man
sich
wirklich
darauf
konzentrieren
kann,
erklingt
wie
aus
dem
Nichts
ein
Saxophon
im
Dialog
mit
den
Gitarrentupfern
von
CHRISTOPH
THEUSNER.
Wir
bemerken
nicht
sofort,
daß
sich
der
gewaltige
Ausleger
des
Baggers
leise
und
wie
von
einer
Geisterhand
geschoben,
in
Richtung
Bühne
dreht
und
ganz
da
oben,
dort,
wo
sich
ein
überdimensionales
Schaufelrad
dreht,
steht
HANS
RATHS,
der
Virtuose
mit
seinem
Saxophon.
Dazu
wird
der
Text
von
„Natur“
gesprochen,
mit
dessen
Formulierung,
„Ihr
Schauspiel
ist
immer
neu,
weil
sie
immer
neue
Zuschauer
schafft.
Leben
ist
ihre
schönste
Erfindung
und
der
Tod
ist
ihr
Kunstgriff,
viel
Leben
zu
haben“
(Goethe).
Da
wird
mancher
sicher
nachdenklich
werden
und
über
den
Sinn
des
Lebens
neu
und anders nachdenken läßt.
Unvermittelt
hört
man
Kinderstimmen
„Am
Brunnen
vor
dem
Tore“
singen,
doch
niemand
ist
zu
sehen.
Das
wirkt
beängstigend,
grotesk
gar
und
provoziert
unverständliches
Staunen
vor
der
kinderlosen
Bühne.
Der
Kinderchor
singt
aus
der
entfernten
Geborgenheit
des
Gutshauses
heraus
und
erst
jetzt,
da
ich
darüber
schreibe,
wird
mir
das
mögliche
Sinnbild
verständlich
–
laßt
uns
unsere
Kinder
behüten,
begleitet
sie
gut
vorbereitet
in
diese
Welt,
die
man
mit
allen
Sinnen
erlernen
muß.
BAYON
schickt
uns,
als
der
sechste
und
letzte
Satz
der
„Suite
V“
(Rondo)
verklingt,
mit
einem
furiosen
Percussion-Feuerwerk
von
Drums
&
Conga
in
eine
lange
Pause,
die
sich
bis
zum
Beginn
der
Dunkelheit
erstrecken
wird.
Zeit
genug,
die
Töne
und
Bilder wirken zu lassen, Zeit auch, über das weite Gelände zu gehen und Gespräche zu suchen.
Als
später
der
Bagger
in
die
Dunkelheit
entschwunden
ist
und
farbiges
Licht
das
Gut
in
eine
andere
Welt
verwandelt
hat,
ist
BAYON
wieder
auf
der
Bühne.
Mir
schlägt
das
Herz
bis
zum
Hals,
denn
aus
den
frühen
Gründungsjahr
1971
spielt
BAYON
das
„Haus
der
Kindheit“
und
nach
so
vielen
Jahren
höre
ich
Christoph
Theusner
auch
wieder
singen.
Diesmal
mit
Unterstützung
des
Kinderchores,
der
nun
auch
sichtbar
auf
der
Bühne
steht.
Verdammt,
das
hat
Wirkung
und
unmerklich
ist
der
dramaturgische
Bogen
wieder
gespannt,
haben
die
Musiker
die
2000
Besucher
in
ihren
Bann
gezogen,
dem
sich
niemand entziehen kann.
Bei
„El
Camino“
steht
HANS
RATHS
gemeinsam
mit
BAYON
auf
der
Bühne
und
sie
zelebrieren
auch
gemeinsam
den
„Tanz
der
Apsara“,
so
der
Titel
der
aktuellen
Bayon-CD.
Wer
bis
dahin
nicht
verzaubert
ist,
muß
dem
Charme
der
folgenden
Darbietung
erliegen,
denn
wir
erleben
eine
atemberaubende
Improvisation
auf
dem
Saxophon.
Schon
bald
ist
die
Melodie
erkannt
und
vor
der
Nachtkulisse
singen
2000
zaghafte
Stimmen
leise
„Sah
ein
Knab’
ein
Röslein
steh’n“.
Da
hat
sicher
auch
der
eiserne
Bagger
eine
Gänsehaut
auf
seiner
rostbraunen
Oberfläche
bekommen.
Der
ist
inzwischen
abwechselnd
in
stahlblaues
oder
rostrotes
Scheinwerferlicht
getaucht.
Immer
wieder
steigen
die
imposanten
Lichtfinger
nach
oben
in
den
Nachthimmel, um sich von da oben wieder herab zu senken und den Bagger aus der Dunkelheit zu zerren.
BAYON
musizieren
weiter
mit
Stücken
aus
der
„Apsara“.
Die
„Ballade“
mischt
sich
in
das
Licht
und
als
„Herbst“
und
„Winter“
erklingen,
sieht
man
auf
einer
riesigen
Videowand
neben
der
Bühne
einen
Film
laufen,
der
die
Landschaft
in
herbst-
und
winterlichen
Impressionen
zeigt,
so,
wie
sie
inzwischen
nicht
mehr
existiert.
Zum
Ende
der
besinnlichen
Performance
stehen
noch
einmal
die
Kinder
auf
der
Bühne.
Sie
bilden
den
gesanglichen
Background
zum
„Sommerlied“
von
BAYON
und
CHRISTOPH
THEUSNER
singt
zum
zweiten
Mal
mit
Chorunterstützung
diesen
Songs
aus
den
Anfangsjahren
der
Band
und
SONY
THET
zaubert,
wie
schon
den
ganzen
Abend,
noch
einmal
auf
seinem
Cello,
dessen
Töne
gemeinsam
mit
den
Gedanken Vieler in die Nacht entschwinden.
Als
sich
gegen
Mitternacht
der
gewaltige
Baggerarm
aus
der
Dunkelheit
wieder
zurück
in
seine
Ausgangsposition
bewegt,
steht
auch
HANS
RAHTS
mit
seinem
Saxophon
wieder
da
oben
und
bläst
die
letzten
Töne
in
die
Kühle
der
Nacht.
Das
riesige
Schaufelrad
scheint
die
Bühne
zu
streifen
und
bleibt
in
ihrem
Hintergrund,
vor
dem
sich
die
Mitwirkenden
verabschieden,
stehen.
Für
einen
Augenblick
ist
nur
Ruhe,
Staunen
und
Atmen.
Minuten
später
wird
sich
eine
Blechkarawane
über
ein
Stoppelfeld, das in grelles Scheinwerferlicht getaucht ist, dem alltäglichen Chaos und Wahnsinn entgegen bewegen…..
Wir
Menschen
haben
seit
unserer
Existenz
diese
Mutter
Erde
aufgerissen,
angebohrt,
zerstückelt,
verbrannt,
haben
sie
verletzt.
Wir
haben
so
viel
Gift
und
Bomben
auf
ihr
deponiert,
daß
wir
ihren
Tod
ermöglichen
und
garantieren
könnten,
den
unseren
leichtfertig
inbegriffen.
Dann
würde
das
Zitat
von
gestern
Abend,
„Der
Tod
ist
der
Kunstgriff,
sich
Leben
zu
leisten.“,
ad
absurdum
geführt
sein.
Doch
ein
wenig
haben
wir
alle,
eingeladen
und
inspiriert
von
VATTENFALL,
gestern
auch
wieder
neu begonnen zu verstehen, zu heilen und zu ändern mit dem „Tanz der Apsara“ und der
„
Zwischen
T
raumzeit
“.
Jetzt
verstehe
ich
auch
wieder,
warum
Gundermann,
der
Liederpoet
und
Baggerführer
sang:
„Halte
durch,
wenn’s
irgendwie
geht,
bist
doch’n
kluger
Planet,
wir
machen
dich
zur
Sau…“.
Der
muß
diese
Wahrheit
von
seinem
Bagger
aus
schon
sehr
zeitig
gefühlt
und
gesehen
haben
und
dieser
Stahlkoloß
hat
ihn
sicher
auch
zu
ähnlich
zerbrechlich
schönen
Melodien
und
tiefsinnig
wahren
Texten
inspiriert,
wie
sie
von
BAYON,
HANS
RAHTS
und
dem
Spremberger
KINDERCHOR
gestern
Abend
auch
heilend
und
ein
wenig
schuldbewußt
mit
uns
gemeinsam
über
diesen
riesigen
Krater
in
der
Haut
der
Erde
gelegt
wurden. Ein Stück betroffen, besinnlicher und hoffentlich auch reifer sind wir dann alle nach Hause gefahren.
Nachtrag:
Ich
weiß
sehr
wohl,
dass
ich
kein
professioneller
Worteformulierer
und
Sätzegestalter
bin
und
deshalb
habe
ich
auch
nur
aufgeschrieben,
was
ich
auf
Gut
Geisendorf
gesehen,
gehört
und
gefühlt
habe.
Andere
haben
sicher
ganz
andere
Emotionen und Impressionen mit nach Hause genommen. Dies hier sind MEINE, aber ihr dürft sie haben und mit mir teilen!