Barcley James Harvest feat. Les Holroyd im Bergtheater Thale
31.08.2018
Heiligabend
1975,
vormittags.
An
der
Wohnungstür
klingelt
es.
Draußen
steht
der
Postbote
mit
einem
Päckchen
in
der
Hand.
Am
Format
erkenne
ich
sofort,
da
sind
Schallplatten
drin
und
die
Verpackung
lässt
auf
Schottland
schließen.
David
hat
es
tatsächlich
geschafft,
mich
an
diesem
Tag
zu
überraschen.
Am
Abend
der
Bescherung
öffne
ich
endlich
die
Verpackung.
In
den
Händen
halte
ich
„Time
Honoured
Ghost“,
das
aktuelle
neue
Album
von
Barcley
James
Harvest,
eine
Band,
von
der
ich
bis
dahin
nichts
wusste.
In
den
Folgejahren
hat
David
diese
Wissenslücke,
und
viele
andere,
geschlossen und mich mit weiteren Platten von BJH versorgt.
Mehr
als
vierzig
Jahre
später
sitze
ich
im
Bergtheater
von
Thale.
Der
Blick
geradeaus
schweift
über
die
Bühne
hinweg
bis
tief
in
die
Ebene
zum
Horizont.
Irgendwie
passt
dieser
spätsommerliche
Ausblick
zu
dem
Konzertereignis.
Barcley
James
Harvest,
featuring
Les
Holroyd,
haben
sich
hier
angekündigt.
Die
Originalband
existiert
schon
seit
Jahren
nicht
mehr.
Schlagzeuger
Mel
Prichard
überlebte
im
Jahr
2004
einen
Herzinfarkt
nicht
und
der
Keyboarder
Wooly
Wolstenholm,
der
oft
unter
Depressionen
litt,
nahm
sich
im
Dezember
2010
das
Leben.
Bereits
im
Jahre
1998
spaltete
sich
die
Band
in
zwei
verschiedene
Formationen
auf,
jeweils
von
einem
der
beiden
verbliebenen
Gründungsmitglieder
John
Lees
und
Les
Holroyd
mit
dem
Signum
BJH
geführt.
Eine
davon,
für
mich
die
mit
der
Gesangsstimme
von
BJH,
wird
heute
in
Thale
einige
ihrer
großen
Klassiker
im
Konzert
spielen.
Das
will
ich
mir
auf
keinen
Fall,
zumal
in
der
traumhaften Kulisse des Bergtheaters, entgehen lassen.
Ich
sitze
in
einer
der
obersten
Reihen.
Zu
meinen
Füßen
geht
es
steil
nach
unten,
geradeaus
schweift
mein
Blick
über
die
Baumwipfel.
Thale,
auch
Quedlinburg
und
einige
Teile
der
Teufelsmauer,
sind
gut
zu
erkennen.
Stehe
ich
ansonsten
lieber
direkt
vor
einer
Bühne,
wähle
im
Bergtheater
ganz
bewusst
einen
Platz
in
den
oberen
Reihen,
um
diesen
fantastischen
Blick
genießen
zu
können.
Während
meine
Augen
sich
noch
in
die
Ferne
träumen,
nehmen
die
Ohren
schon
das
Konzert-Intro
wahr.
Fast
wie
in
ein
Puppenhaus,
betreten
die
fünf
Musiker
die
in
rotes
Licht
getauchte
Bühne.
Ein Klang, wie ein Teil des Soundtracks der 1970er und 80er Jahre, der sich ins Heute gerettet hat, füllt das Areal.
Es
klingt
sogar
fast
so,
wie
ich
es
mir
vorgestellt
hatte,
als
BARCLEY
JAMES
HARVEST
ihre
Soundbilder
aufbauen
und
LES
HOLROYD
„Who
Do
We
Think
We
Are“
vom
Album
„Caught
In
The
Light“
(1993)
zu
singen
beginnt.
Dennoch
wird
der
Tonmeister
am
Pult
fast
die
gesamte
erste
Konzerthälfte
benötigen,
um
den
Sound
der
Band
so
auszusteuern,
dass
auch
meine
(verwöhnten)
Ohren
zufrieden
das
Konzert
genießen
können.
Wie
vielleicht
andere
empfinden,
weiß
ich
nicht.
Keyboards
und
Drums
überdecken
die
Stimme
des
Sängers,
der
vergebens
dagegen
ansingt
und
dessen
Bass
kein
sattes
Volumen
unter
die
Klänge
schieben
darf.
Es
könnte
auch
gern
ein
wenig
lauter
sein.
So
wird
aus
dem
„Mocking
Bird“,
so
schön
der
auch
im
Abendlicht
seine
Verse
trällert,
leider
keine
progressive
„Spottdrossel“,
sondern
nur
ein
kleiner
launischer
Piepmatz,
der,
nichts
desto
trotz,
von
den
Fans
im
weiten
Rund
euphorisch
begrüßt
und
gefeiert
wird.
Ich
blende
die
Mängel
aus
und
freue
mich
über
den
„Rock’n’Roll
Star“,
von
dessen
Traum
uns
LES
HOLROYD
&
Band
jetzt
singen:
„Gonna
make
it
on
your
own,
write
a
song
that
everyone
can
sing
along“.
Ist
leichter
gesungen,
als
heutzutage verwirklicht, denke ich mir, und freue mich, wie die fünf Herren da unten das Bergtheater rocken.
Inzwischen
legt
sich
der
Abend
über
das
Land
und
Tal,
die
ersten
Lichter
glitzern
und
vom
Berg
hinter
uns
gleitet
allmählich
kalte
Luft
in
das
Theaterrund.
Von
der
Bühne
tönt
es
„Victums
Of
Circumstances
(What
We
Are)“
und
irgendwie
passt
dieses
„Opfer
der
Umstände“,
so
in
etwa
die
Übersetzung,
zum
ausklingenden
Sommer,
der
uns
abends
frösteln
lässt.
Jetzt
haben
die
Regler
ihre
Position
gefunden.
Rhythmisch
schallen
die
Akkorde,
die
über
tausend
Besucher
klatschen
dazu
in
ihre
Hände
und
über
allem
schwingt
eine
helle
Stimme,
die
von
LES
HOLROYD.
Ich
bin
glücklich,
in
diese
Musik
eintauchen
zu
können,
den
klassischen
Sound
einer
Band
zu
genießen,
die
mich
nun
schon
vier
Dekaden
meines
Lebens,
wie
viele
andere
auch,
begleitet.
Als
dann
noch
die
typische
Bassfigur
von
„Ring
Of
Changes“
grummelt,
steigen
Wärme
und
Frösteln
gleichzeitig
in
mir
auf,
erzeugen
eine
Gänsehaut.
Es
fühlt
sich
an,
als
wäre
ich
noch
einmal
der
Mittzwanziger,
der
gerade
sein
Weihnachtsgeschenk
auspackt
und
nebenbei
noch
den
Soundteppich
von „Poor Man’s Moody Blues“ zu hören bekommt. Einfach toll!
Im
zweiten
Teil,
„after
a
short
breack“,
überrascht
uns
die
Band
mit
einem
Akustik-Set.
Jetzt
klingen
nur
die
Saiten
von
drei
akustischen
Gitarren
plus
der
einen
vom
Gitarristen
MIKE
BYRON
HEHIR.
Mit
seinem
dezenten
Spiel
fabriziert
er
verbindende
Zwischentöne.
Ansonsten
keine
Tasten,
keine
Drums,
stattdessen
nur
eine
Cajon.
Diese
Instrumentierung
lässt
„Welcome
To
The
Show“
sowie
zwei
weitere
Songs
ganz
anders,
aber
nicht
weniger
reizvoll,
erscheinen.
Man
kann
die
Spielfreude
beinahe
fassen,
die
von
unten
zu
uns
herauf
schwappt.
Eine
gute
Idee,
den
ansonsten
eher
ruhigen
Sound
ein
wenig
aufzupeppen
und
Spannung
zu
erzeugen.
Als
danach
mit
vollem
Besteck
die
„African
Nights“
(1990)
geradezu
zelebriert
werden,
ist
die
Stimmung
auf
dem
Höhepunkt
und
die
Kühle
eines
scheidenden
Sommers
vergessen.
Überall
leuchten
die
Handy-Displays,
um
diesen
Moment
festzuhalten
und
einige
Körper
wiegen
sich
sogar
tanzend im Rhythmus der Musik.
Fast
glaube
ich,
so
etwas
wie
Glückseligkeit
in
dieser
harmonieschwangeren
Atmosphäre
ausmachen
zu
können.
LES
HOLROYD
und
BJH
sind
voll
in
ihrem
Metier
mit
weit
ausufernden
und
sinfonischen
Klängen,
die
sich
genüsslich
lange
instrumental
austoben.
Wenn
dann
der
grauhaarige
Frontmann
da
unten
sehnsuchtsvoll
sein
„Fly
Away“
zelebriert
und
die
Gitarre
die
Stimmung
für
ein
emotionales
Solo
übernimmt,
möchte
man
beinahe
darin
versinken.
Dieses
wunderschöne
zehnminütige
Kleinod
schafft
es
tatsächlich
mühelos,
an
die
großen
Klassiker
der
Band
anzuknüpfen.
Mit
„Love
On
The
Line“
(1980)
vom
Album
„Eyes
Of
The
Universe“
folgt
dann
ein
solcher
und
mit
“Rock’n’Roll
Star”
sogar
noch
einer
aus
der
Frühphase
und
dem
Album
„Octoberon“
(1977).
Schöner
und
emotionaler
kann
es
jetzt
kaum
noch
werden,
sollte
man
meinen.
Doch
weit
gefehlt,
den
mit
„Hymn“,
einem
Song
aus
der
Frühphase
der
Band,
folgt
jener
Augenblick,
auf
den
wohl
alle
hier
hingefiebert
haben.
Eine
simple
Akkordfolge
auf
der
Gitarre
für
eine
lyrische
Melodie
und
Worte,
die
eine
Botschaft
vermitteln:
„Valley’s
deep
and
the
mountain’s
so
high,
if
you
want
to
see
God
you’ve
got
to
move
on
the
other
side“.
Gewidmet
ist
diese
Hymne
Musikern
wie
Jimi
Hendrix
oder
Paul
Kossoff
(Free),
denen
der
Drogenkonsum
den
Tod
brachte.
Eine
trauriges,
aber
ungemein
intensiv
wirkendes
Meisterwerk,
das
zu
Tränen
rühren
kann.
Ich
genieße
es,
leise
summend
und
einige
Textfetzen
im
Kopf:
„Don’t
try
to
fly
you
know
you
might
not
come
down“
(Versuche
nicht
zu
fliegen,
du
weißt,
du
wirst
nicht
herunter
kommen).
Dann
ist
das
Ende
erreicht,
die
Klänge
verstummt,
die
Farbenspiele
erloschen
und
nur
der
Nachthimmel
über
den
aufsteigenden
Berghängen
spiegelt
ein
wenig
das Geschehen hier unten wider.
So
können
uns
die
fünf
Engländer
natürlich
nicht
ins
Tal
fahren
lassen,
auch
wenn
die
da
unten
genau
wie
wir
die
nächtliche
Kühle
spüren.
Sie
heizen
uns
mit
„Tonight’s
Gonna
Be
The
Night“
noch
einmal
ordentlich
ein
und
lassen
zur
Freude
aller
letztlich
noch
den
Single-Hit
„Life
Is
For
Living“
folgen.
Diese
Nummer
verbinden
wohl
die
meisten
mit
dem
typischen
Sound
der
klassischen
Progressiv-Rocker
und
deren
erfolgreichsten
Zeiten.
Die
Fans
stehen
in
den
Bankreihen,
feiern
im
Spiel
der
Scheinwerfer
ihre
eigenen
Erinnerungen
und
schwelgen
in
der
Melodieschleife
der
Keyboards
und
den letzten Akkorden der Gitarre.
Es
ist
ein
Fest
geworden
und
ich
bin
froh
und
glücklich,
mir
diesen
Wunsch
erfüllt
zu
haben.
Plötzlich
bedeuten
45
Jahre
so
gut
wie
nichts
und
egal,
wie
viele
Jahre
man
auf
der
Uhr
haben
mag,
die
Musik
der
eigenen
Jugend
lässt
das
Blut
pulsieren,
das
Adrenalin
fließen
und
die
Seele
sich
selbst
auftanken.
Ich
werde
David
einen
Brief
schreiben
und
ihm
ein
paar
Fotos
senden.
Ohne
seine
Freundschaft
über
die
Jahrzehnte,
Grenzen
und
Mauern
hinweg,
wäre
ich
vielleicht
niemals
derjenige
geworden,
der
ich
heute
bin
und
dafür
bin
ich
einem
„geizigen“
Schotten
von
den
Orkney
Inseln
sehr,
sehr dankbar.