ANAWA – „Korowod“, Polen, Muza
SXL 0752, 1971 26.06.2013
1) Widziec Wiedcej
2) Kantata
3) Choddzmy
4) Swiecie Nasz
5) Nowy Radosny Dzien
6) Dni, Ktorych Nie Znamy
7) Ocalic Od Zapomnienia
8) Korowod
9) Niebieski Mlyn
Mir
ist
mal
wieder
nach
Erinnern.
Nicht
an
Episoden
oder
Ereignisse
aus
meinem
Leben,
sondern
viel
mehr
an
einen
der
bedeutendsten
polnischen
Künstler,
der
Rockmusik
in
unserem
Nachbarland
wesentlich
geprägt
hat.
Immer
öfter
habe
ich
das
Gefühl,
dass
wichtige
Dinge,
die
einst
das
Leben
hierzulande
interessant
und
facettenreich
gemacht
haben,
entweder
einfach
verwischt
oder
auch
vergessen
werden.
Doch
sie
gehören
zu
unserer
Lebenskultur,
haben
viele
von
uns
mit
ihrer
Musik
und
Kunst
geprägt
und
werden
deshalb
noch
immer,
wenn
auch
still,
leise
und
heimlich,
von
vielen
verehrt. Einer bin ich und deshalb möchte ich an eine der schönsten Platten erinnern, die ich mir damals gekauft habe.
Pop
und
Rock
waren
in
Polen
etwas
früher
da,
als
bei
uns,
etwas
wilder,
abwechslungsreicher
auch
und
außerdem
sehr
tief
in
der
Kultur
und
Folklore
des
Landes
verwurzelt.
Rock
aus
Polen
war
originell
und,
was
die
wenigsten
wissen
werden,
textlich
mindestens
ebenso
pfiffig
und
scharf,
wie
später
die
Bands
in
der
DDR
auch.
Einer
von
ihnen
war
MAREK
GRECHUTA.
Ursprünglich
ein
Student
der
Architektur,
gründete
er
schon
frühzeitig,
zum
Ende
der
1960er
Jahre,
gemeinsam
mit
anderen
Kommilitonen
das
Kabarett
ANAWA
(etwa:
vorwärts,
voran),
das
sich
in
den
Folgejahren
zu
seiner
Begleitband
entwickelte.
Als
Höhepunkt
dieser
Zusammenarbeit
erscheint
1971
in
Polen
das
Album
„Korowod“
(Prozession).
„Korowod“
ist,
musikalisch
gesehen,
eine
faszinierende
Mischung
aus
Folk,
Klassik,
Jazz
und
dem,
was
man
als
progressiv
in
der
Rockmusik
einstufte,
elektronische
Effekte
inbegriffen,
wie
sie
zum
Beispiel
in
der
Einführung
„Widziec
Wiecej“
zu
hören
sind.
Trotz
dieser
scheinbaren
Überbelastung
mit
Stilen
und
Inspirationen,
strahlt
das
Album
von
Beginn
an
eine
ganz
eigenwillige
stimmungsvolle
Leichtigkeit
aus.
Die
Schwierigkeit
besteht
sicher
darin,
dass
man
im
ersten
Moment
nicht
bereit
ist,
sich
der
Diktion
der
fremden
polnischen
Sprache
zu
öffnen.
Da
hatten
es
zum
gleichen
Zeitpunkt
Bands
aus
Westeuropa
deutlich
leichter,
obwohl
deren
Sprache
mindestens
ebenso
viele
nicht
verstanden
haben und bis heute auch nicht wirklich verstehen. Manchmal haben Vorurteile eine ungerechtfertigte Macht.
Ungeachtet
dessen,
hatten
ANAWA
und
MAREK
GRECHUTA
zu
Beginn
der
1970er
Jahre
und
in
Folge
des
Albums
„Korowod“
(1971)
eine
große
Anhängerschar
in
der
DDR.
Irgendwie
haben
wir
damals
gespürt,
dass
in
diesem
Nachbarland,
wie
in
anderen
auch,
musikalisch
eine
Revolution
im
Gange
war,
zu
deren
herausragenden
Vertretern
neben
NIEMEN,
BREAKOUT
oder
SBB
auch
ANAWA
gezählt
werden
muss.
Uns
faszinierten
die
Vielfalt
der
Mittel
und
das
Aufbrechen
in
Grenzbereiche,
wie
wir
es
von
ELP,
YES
oder
GENTLE
GIANT
auch
kannten.
Richtig
populär
wurden
GRECHUTA
&
ANAWA
jedoch,
nachdem
sie
im
Rundfunk
der
DDR
die
Chance
bekamen,
einige
ihrer
Lieder
in
deutscher
Sprache
neu
zu
produzieren.
Vor
allem
„Dni,
Ktorych
Nie
Znamy“
wurde
als
„Wichtig
sind
Tage,
die
unbekannt
sind“
ein
Kultsong,
ebenso
wie
„Swiencie
Nasz“
als
„Unsere
Welt“
zu
einer
Hymne
avancierte,
in
der
die
Sehnsucht
nach
einer
besseren Welt, die uns damals unbewusst beschäftigte, besungen wurde.
Beim
Hören
des
Albums
wird
man
bemerken,
dass
sich
die
Stücke
von
Mal
zu
Mal
steigern,
immer
intensiver
und
stärker
im
Ausdruck
werden
und
das
allseits
bekannte
„Dni,
Ktorych
Nie
Znamy“
kommt
gar
als
leichtfüßiges
Lied
mit
eingängigem
Chorus
daher.
Das
war
damals
so
herausragend
und
fast
schon
experimentell,
dass
es
heute
schon
wieder
klassisch
und
von
daher
zeitlos
schön
wirkt.
Wenn
man
bedenkt,
dass
gerade
dieser
Song
wochenlang
einschlägige
Wertungssendungen
anführte,
wird
einem
schmerzlich
der
Qualitätsverlust
bis
zu
heutigen
Zeiten
deutlich
vor
Augen
und
Ohren
geführt.
Mal
ganz
davon
abgesehen,
dass
sich
Gundermann
dieser
annahm
und
sie
mit
deutschem
Text
zu
einer Hymne hierzulande machte: „Von jedem Tag will ich was haben, was ich nicht vergesse …“.
Das
ganze
Album
wirkt
heute
auf
mich
wie
eine
längst
vergangene
Landschaft
und
ein
Leben
darin,
das
es
so
nicht
mehr
gibt:
reich,
vielgestaltig,
zauberhaft,
ausgelassen,
suchend
und
natürlich
ganz
und
gar
unangepasst.
Die
Scheibe
gipfelt
letztlich
in
ihrem
Titelsong
„Korowod“
auf
der
zweiten
LP-Seite,
einem
länger
ausgedehnten
Werk,
das
all
die
einzigartigen
Fragmente
der
ganzen
Platte
noch
einmal
komprimiert
und
sie
spielen
lässt.
Nichts
von
all
dem
wirkt
aufgesetzt
oder
gekünstelt.
Alles
fließt
dynamisch
ineinander
und
verschmilzt
zu
einem
wunderbaren
Ganzen
aus
Klang,
Gesang und Sprache.
Aus
heutiger
Sicht
muss
man
konstatieren,
dass
MAREK
GRECHUTA
mit
seiner
Band
ANAWA
der
Zeit
weit
voraus
war,
als
Visionäre
in
Wort
und
Musik
bleibende
Werke
schuf,
die
selbst
heute,
vierzig
Jahre
später,
noch
immer
erstaunlich
frisch
und
komplex
erklingen.
Alles
ist
möglich
und
nichts
wird
dem
kommerziellen
Streben
oder
blanken
Populismus
der
Charts
untergeordnet.
Damals
umschreibt
MAREK
GRECHUTA
seine
Musik
als
„moderne
Romantik“,
obwohl
sie
natürlich
wesentlich
mehr
war
und
bis
heute
ist.
Die
LP
„Korowod“
kann
man
im
Rückblick
bedenkenlos
neben
die
Produktionen
von
Pink
Floyd,
King
Crimsen
und
der
anderen
Avantgardisten
der
beginnenden
1970er
Jahre
stellen,
ohne
dass
sie
verblassen
würde.
Das
wenigstens
im
Rückblick
zu
erkennen
und
als
solches
zu
akzeptieren,
haben
Musiker
aus
Polen,
wie MAREK GRECHUTA, der leider im Oktober 2006 verstarb, schon lange verdient.
In
ihrem
Heimatland
Polen
werden
sie,
NIEMEN,
NALEPA
oder
eben
GRECHUTA,
als
nationale
Helden
verehrt
und
wir
hier,
die
wir
in
der
ehemaligen
DDR
ihre
Musik
gehört
haben,
sollten
uns
wenigstens
in
großer
Ehre
und
Achtung
ihrer
und
ihrer
Musik
erinnern.
Wir
sollten
ihr
Andenken
und
Werk
ebenso
bewahren,
wie
das
unserer
eigenen
Helden.
Irgendwie, so denke ich heute, gebietet das auch unsere Herkunft und die Erfahrungen, die wir damals gemacht haben.